SFB-Ausschuss am 01.10.2019, TOP 14 Kreis- und Strategieausschuss am
02.12.2019 Kreistag am 16.12.2019, TOP 12 SFB-Ausschuss am 20.05.2020, TOP 7 |
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Sachvortragende(r): |
Marion Wolinski, SG-Leiterin 22,
Sozialhilfeverwaltung, Asyl |
Mit Schreiben vom 15.06.2020 stellte die Kreistagsfraktion Bündnis 90 /
Die Grünen den Antrag, diverse Fragen zum Thema „Frauenhaus“ sowie zum Thema
„häusliche Gewalt in Corona Zeiten“ zu klären, die weitere Vorgehensweise zu
besprechen sowie zu beschließen.
Marion Wolinski geht auf die Fragen wie folgt
ein:
(Der folgende Sachverhalt liegt dem Gremium als Tischvorlage vor, Anmerkung der Schriftführerin)
„Wie in der Sitzungsvorlage bereits erwähnt wird hiermit auf die
Thematik näher eingegangen.
1.
Welche Maßnahmen wurden zur Umsetzung des
Beschlusses vom 16.12.2019 umgesetzt? Welche Maßnahmen sind in der
Vorbereitung?
Grundsätzlich ist diesbezüglich anzumerken,
dass viele im Konzept genannten Tätigkeitsfelder nur in Kooperation mit den
Fachstellen umgesetzt werden können. Hier haben wir im Landkreis mit dem
Frauennotruf Ebersberg einen kompetenten Partner, der hier bereits einige
Punkte aufgegriffen hat.
Durch frühzeitige Förderungen durch das
Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration
sowie durch den Landkreis Ebersberg konnte sowohl der Bereich Prävention
ausgebaut werden als auch das Angebot „Second Stage“ eingeführt werden. Hier
handelt es sich um ein wohnraumbezogenes Übergangsmanagement mit begleitender
psychosozialer Beratung von häuslicher Gewalt betroffener Frauen und Kinder.
Dies stellt ein völlig neues Angebot und somit auch eine entscheidende Neuerung
im Landkreis dar.
Im Bereich der Prävention wurden u.a.
Selbstbehauptungskurse für Mädchen und Jungen angeboten. In diesem Zusammenhang
gab es auch Elternabende. Kontakte wurden auch zur Schulsozialarbeit einzelner
Schulen sowie zu Kindertagesstätten aufgebaut.
Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wurden
durch den Frauennotruf Flyer- und Plakataktionen gestartet.
2. Inwieweit wurden bereits konkrete Vorbereitungen getroffen um
im Landkreis ein eigenes Frauenaus einzurichten?
Aufgrund
der Situation um Corona haben sich die Arbeiten verzögert. Sowohl der
zuständige Fachbereich im Landratsamt als auch eventuelle potentielle Träger
des Frauenhauses waren intensiv im Bereich des Krisenstabes bzw. mit anderen
Aufgaben beschäftigt. Die Planungen haben daher zwar aktuell noch nicht den
geforderten Stand erreicht, jedoch bleibt noch genügend Zeit, um fristgerecht
die Planungen abzuschließen. Weitere Schritte hierfür werden nun nach und nach
erfolgen.
In der
Vergangenheit wurden bereits Gespräche mit möglichen Trägern geführt. Unter
anderem liegt der Verwaltung zwischenzeitlich eine Interessenbekundung des
Vereins „Frauen helfen Frauen – Ebersberg“ (Frauennotruf) vor. Der Verein ist
seit mehreren Jahren ein äußerst zuverlässiger Kooperationspartner des
Landkreises, der zum Thema „Gewalt“ über ein enormes Fachwissen verfügt. Als
Träger des Frauenhauses wäre er durchaus ein kompetenter Partner, jedoch müssen
bezüglich der Trägerschaft des Frauenhauses auch die Vorgaben des Vergaberechts
beachtet werden. Seitens der Vergabestelle werden aktuell hierzu die weiteren
Schritte geprüft.
3. Fragen im Zusammenhang mit Corona:
Bei der Beantwortung der folgenden Fragen
wurde der Frauennotruf um eine Stellungnahme gebeten.
·
Wie kann der Landkreis auf
die gestiegenen Fälle häuslicher Gewalt reagieren, die eine kürzlich
veröffentlichte Studie der TU München offenbarte?
Seitens
des Vereins „Frauen helfen Frauen“ wird ein Anstieg von häuslicher und
sexualisierter Gewalt gegen Frauen durch ihre Partner vermutet. Belegt ist dies
jedoch nach deren Fallzahlen nicht. Auch die Studie der TU München liefert
keine Vergleichszahlen. Auch ohne Corona ist jedoch häusliche und sexualisierte
Gewalt gegen Frauen weit verbreitet, hier ist das Dunkelfeld sehr groß.
Die
Fallzahlen der Beratungsstelle des Frauennotrufes müssten höher sein, wenn alle
Zielgruppen den Weg in die Beratungsstelle gefunden hätten. Seit der Schließung
von Schulen und Kindestagesstätten sind die Frauen mit kleineren Kindern
ausgeblieben.
Es
wird davon ausgegangen, dass sie für die Zeit der Gespräche ihre Kinder nicht
unterbringen konnten. Auch ein Telefongespräch in Ruhe war vielleicht nicht
möglich. Ebenso hätten Anrufe / Besuche in der Beratungsstelle die Frauen noch
stärker gefährdet. Die Trennung ist die gefährlichste Zeit für von häuslicher
Gewalt betroffene Frauen. Eine sofortige Unterbringung, z.B. im Frauenhaus kann
nicht immer versprochen werden.
Die PI
Ebersberg führt zum Thema „häusliche Gewalt“ aktuell folgende polizeiinterne
Statistik:
2019:
01.01.19 bis 31.03.19 = 32
01.04.19 bis 30.06.19 = 30
01.07.19 bis 30.09.19 = 27
01.10.19 bis 31.12.19 = 41
===================
Gesamt = 130
2020:
01.01.20 bis 31.03.20 = 35
01.04.20 bis 16.06.20 = 24
===================
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Aus
diesen Daten kann abgeleitet werden, dass sich die Zahlen für das Jahr 2020 im
Vergleich zu 2019 nicht signifikant erhöht haben.
· Wie hat sich die Nachfrage nach Angeboten an Plätzen im
Frauenhaus in den letzten Wochen seit der letzten SFB Sitzung am 25.05.2020
verändert?
Die
Nachfrage nach einem Frauenhausplatz ist im Bereich des Frauennotrufes
Ebersberg nicht bedeutsam gestiegen. Insgesamt haben dort fünf Frauen einen
Bedarf angemeldet.
Anzunehmen
ist, dass dies aber kaum den tatsächlichen Bedarf spiegelt, da Frauen oftmals
beim Frauenhaus direkt anfragen. Die Beratungsstelle bekommt davon nur
Kenntnis, wenn ihr gegenüber von Ablehnung, Wartezeit oder Aufnahmestopp
berichtet wird. Betroffene Frauen waren nicht bereit, sich vor dem Frauenhaus
zunächst für 14 Tage in Quarantäne zu begeben.
Nach
Einschätzung des Frauennotrufes hätten seit Mai durchaus einige beratene Frauen
einen Platz im Frauenhaus benötigt, um sie ausreichend zu schützen und zu
unterstützen. Obwohl sich die Frauen in einer äußerst schwierigen, sie sehr
gefährdenden Situation befanden, waren sie aufgrund von Aufnahmestopp,
Quarantäne und den Folgen der Corona Krise (Arbeitsplatz, Kurzarbeit,
Wohnungsmarkt) nicht bereit, ihr Zuhause zu verlassen. Den betroffenen Frauen
wurde aber zumindest eine niedrigschwellige Beratung angeboten. Die Erfahrung
der letzten Jahre zeigt, möchten berufstätige Frauen den Landkreis in der Regel
nicht verlassen. Auch die Situation der Kinder bekräftigt diese Haltung.
Die
Frauenhäuser äußern aktuell auch unterschiedliche Aufnahmebedingungen. Das
Erdinger Frauenhaus teilte mit, dass immer nur eine Frau ins Frauenhaus
aufgenommen werden kann. Die anderen Plätze müssten leer bleiben.
· Gibt es nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen nun
eine Zunahme der Nachfrage?
Aktuell
erreichen den Frauennotruf vermehrte Beratungsanfragen. Mit einigen Frauen
befinden sich die Fachkräfte in der Klärungsphase, inwieweit sie derzeit die
Trennung wagen. Der Verein kann bis zu fünf Frauen –deren Gefährdungslage es
zulässt– zeitgleich durch das Modellprojekt „Second Stage“ unterstützen.
· Ist eine einfache Kontaktaufnahme mit den Hilfestellen
weiterhin gewährleistet?
Seit
Beginn der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im März hat der Frauennotruf
sein Angebot hinsichtlich der Erreichbarkeit nicht verändert. Es gab keine Schließung der Beratungsstellen, an
allen Wochentagen waren die Mitarbeiterinnen vor Ort. Alle eingehenden
Beratungsanfragen konnten bearbeitet werden. Neben der Beratung am Telefon
waren in Einzelfällen auch persönliche Gespräche unter Einhaltung der Abstands-
und Hygieneregeln möglich.
Diese
waren erforderlich mit den in den Notwohnungen untergebrachten Frauen, die sich
in akuten Krisen befanden. Auch die Frauen, die nach Polizeieinsätzen proaktiv
beraten werden mussten, kamen zu persönlichen Gesprächen.
Die
Frauen in den Notwohnungen wurden und werden regelmäßig und intensiv betreut.
Proaktive
Beratung nach Mitteilung der Polizei findet in der Regel innerhalb von drei
Tagen statt. In mehreren Fällen mussten die Frauen ihre Anträge selbst
formulieren, da das Amtsgericht nur eingeschränkt tätig war. Da die
Antragstellung die Frauen meist überfordert, brauchen sie konkrete
Unterstützung beim Schreiben.
· Welche Ursachen erkennt der Landkreis, warum sich die Frauen
trotz offensichtlicher Krisensituationen in den Familien nur selten an
Hilfseinrichtungen wenden?
Aus
mehreren Studien ist bekannt, dass sich von Gewalt betroffene Frauen lange Zeit
nicht an das Hilfesystem wenden. Im Durchschnitt dauert die Gewalt sieben Jahre,
bevor sie was unternehmen. Eine tiefe Krise ist häufig der Anlass,
Veränderungen vorzunehmen, aber selten der geeignete Zeitpunkt.
Traumatisierte
Menschen stehen in Krisen deutlicher unter Stress, da ihr Toleranzbereich
vermindert ist. Sie haben weniger Selbstvertrauen, weniger Vertrauen in ihre
Mitmenschen und weniger Vertrauen in ihre Umwelt. Sie geraten unter vermehrten
Stress und in Angstzustände. Der Frauennotruf sieht deutlich, dass sich die von
ihm betreuten Frauen in der Corona Krise sehr große Sorgen machen, vielfach
zusätzliche Ängste entwickeln. Sie sind in ihren Handlungen eingeschränkt
(„jetzt bekommt man keine neue Wohnung“).
Es ist
nicht der richtige Zeitpunkt, eine Trennung zu bewältigen, da die Frauen
ohnehin oft an der Belastungsgrenze sind (z.B. durch Homeschooling,
Kinderbetreuung, Arbeit in systemrelevanten Berufen und den dazugehörenden
Herausforderungen.
· Welche Maßnahmen ergreift der Landkreis, damit es Betroffenen
leichter fällt, mit Unterstützungseinrichtungen im Landkreis Kontakt
aufzunehmen.
Der
Frauennotruf war und ist wie gewohnt erreichbar. Dies wurde auf Plakaten in
Lebensmittelgeschäften und Apotheken kommuniziert. Die Plakatvorlage wurde den
Städten und Gemeinden zur Veröffentlichung in ihren Mitteilungsblättern zur Verfügung
gestellt. Auch auf Facebook und auf der Webseite des Frauennotrufes sowie in
der Presse wird immer wieder auf die Verfügbarkeit der Beratungsstelle
hingewiesen. Ebenso wurden die Kooperationspartner des Frauennotrufes darüber
informiert, dass die Beratung in der Krise weiterhin möglich ist.“
KR Omid Atai erklärt, dass die SPD-Kreistagsfraktion seit Jahren ein
eigenes Frauenhaus fordere. Er habe im Sachverhalt einen Zeitstrahl für die
Umsetzung vermisst, daher bitte er, einen konkreten Zeitstrahl vorzustellen.
Dem schließt sich KR Johannes von der Forst an und erkundigt sich, ob es im
Bereich der Öffentlichkeitsarbeit durch den Frauennotruf außer Flyer und
Plakataktionen noch andere Möglichkeiten gäbe, wie z.B. die Jugendsozialarbeit.
Marion Wolinski erklärt, dass bezüglich der Trägerschaft des
Frauenhauses die Vorgaben des Vergaberechts auch beachtet werden müsse, was die
Vergabestelle derzeit prüfe. Sie gehe davon aus, dass sie bis zur
Oktobersitzung es wissen werde, um welche Art von Ausschreibung es sich
handelt. Eventuell könne dann die Ausschreibung zum Jahreswechsel stattfinden.
Sie verweist auf den Beschluss, dass nach Beendigung der Kooperation mit Erding
der Landkreis ein eigenes Frauenhaus haben werde, aber auch auf den noch
bestehenden, gültigen Vertrag mit Erding und, dass der Landkreis ein
verlässlicher Vertragspartner sein sollte.
Weiter erklärt Marion Wolinski, dass es im Bereich der
Öffentlichkeitsarbeit eine Mischung brauche, z.B. neben einer Flyer Aktion auch
kleine Visitenkarten, die in Lokalen, Arztpraxen ausliegen und einfach
eingesteckt werden könnten. Die Jugendsozialarbeit sei ein wichtiger
Ansatzpunkt, ebenso wie Vorträge an Schulen, um zu erklären, was Gewalt in der
Familie sei und wann es anfange. Die Schulen und Kitas seien hier wichtige
Partner. Abschließend informiert sie, dass es im Frauennotruf eine
Mitarbeiterin für Prävention gebe.
Florian Robida, stellvertretender Jugendamtsleiter erklärt, dass die
SaS sowie das komplette Jugendamt das Angebot kenne und sich alle zwei Monate
austausche - es handele sich hier um ein großes Netzwerk. Weiter erklärt er,
dass die Planungen, den noch nicht geforderten Stand erreicht haben, dem
geschuldet sei, dass Marion Wolinski aufgrund der Situation mit Corona viel
unternommen habe, damit sich der Virus nicht in den Pflegeheimen ausbreite und
die Senioren sich nicht angesteckt haben. Er bittet daher um Verständnis, dass
noch kein Zeitstrahl vorliege.
Nachdem
es keine weitere Wortmeldung gibt, stellt der Landrat den Beschlussvorschlag
zur Abstimmung.
Der SFB-Ausschuss fasst folgenden Beschluss:
1. Der Zwischenbericht der Verwaltung zum Thema ‚Frauenhaus‘ sowie zum Thema ‚häusliche Gewalt in Coronazeiten‘ wird zur Kenntnis genommen.
2. Die Anfrage von Bündnis 90 / Die Grünen vom 15.06.2020 ist damit beantwortet.
3. Über die weitere Entwicklung unter Einbeziehung der Fragen von Bündnis 90 / Die Grünen wird dem SFB-Ausschuss im Herbst 2020 berichtet.