Vorberatung        

ULV-Ausschuss am 23.01.2020, TOP Ö7

Kreistag am 27.01.2020, TOP Ö5

Sachvortragende(r):

Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann, Technische Universität München (TUM)

Die ausliegende Tischvorlage (Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 22.09.2021; Windkraft im Ebersberger Forst; Verfahren zur Änderung der LSG-Verordnung) liegt dem Protokoll als Anlage 4 bei.

Der Landrat begrüßt Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann, der anhand einer Präsentation (Anlage 5 zum Protokoll) die Ergebnisse seines Zonierungskonzepts zur Windenergienutzung im Landschaftsschutzgebiet Ebersberger Forst vorstellt.

Er informiert darüber, dass fünf Windräder im Ebersberger Forst nur unter Ausschluss der 10-H-Regelung möglich seien, da die Windkraftanlagen zwischenzeitlichen eine Höhe von 250 m erreichen und daher zwei Standorte noch der Klärung bedürfen. Im Zweifelsfall, so Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann, werde die Zustimmung der Gemeinden Anzing und Zorneding gemäß Art. 82 der Bayerischen Bauordnung erforderlich werden. Sollten in der von ihm vorgestellten Zone die fünf Standorte aus verschiedenen Gründen (nicht nachgewiesene Horste, andere Eingriffe in Lebensräume) nicht genauso beibehalten werden können, dann halte er es für ausgesprochen wichtig, die vorgestellte Konzeption mit einer weiteren Konzeption (Gruppe von fünf Windenergieanlagen als Formation abgebildet) zu unterlegen und nicht die Standorte einzeln im Forst hin- und herzuschieben. Es soll, so Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann, nach einer Lösung gesucht werden, um die Entscheidung, fünf Windenergieanlagen im Ebersberger Forst als begrenzte Inanspruchnahme, zu erhalten. Er regt an, unbedingt in den nächsten Monaten daran weiterzuarbeiten, um dem gerecht zu werden, was die Bürgerinnen und Bürger entschieden haben.  

Der Landrat bedankt sich bei Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann für die Präsentation seiner Ergebnisse und führt aus, dass der Kreistag im Januar 2020 sechs Kriterien am Standort beschlossen habe, die zum Teil (Wildruhezone, Bereiche südlich der Höhenlinie 545 m üNN – Endmoränenzug, FFH-Schutzgebiet) im Konzept berücksichtigt wurden. Das Konzept wurde aufgrund verschiedener Perspektiven von Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann aus wissenschaftlicher Sicht und nicht aus dem politischen Mehrheitsbeschluss des Kreistages herausgearbeitet, von daher gebe es verschiedene Sichtweisen. Damalige Planungen haben auch die ehemalige Mülldeponie von Ebersberg (Schafweide) als Standort für Windenergieanlagen ins Auge gefasst, die außerhalb des Naturschutzgebiets auf belastetem Gelände liegt, aber aufgrund des Wetterradars der Flugsicherung derzeit nicht möglich sei. Die Wasserschutzgebiete seien für ihn und die Stadt Ebersberg ein wichtiger Bereich, den es gelte zu schützen. Die Abstandsflächen nach der 10-H-Regelung seien für ihn gesetzt, weil es für ihn eine Art Geschäftsgrundlage im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern war und auch damals vom Kreistag beschlossen wurde. Prof. Dr. Schöbel müsse das nicht berücksichtigen, was für ihn in Ordnung sei, so der Landrat. Bei den fünf Windkraftanlagen im Ebersberger Forst handle es sich um ein singuläres Projekt, daher plädiere er, die 10-H-Regelung an dieser Stelle nicht zu verletzen und somit die sechs Kriterien, die der Kreistag im Januar 2020 beschlossen habe, am Ende einzuhalten. Am Ende seines Statements erkundigt er sich, wie das Gremium mit der Strategischen Umweltprüfung (SUP) umgehen wolle. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe noch keine Entscheidung getroffen, so der Landrat, ob es eine SUP-Pflicht bei der Änderung von Landschaftsschutzverordnungen gebe oder nicht. Der Generalanwalt komme in seinem Gutachten für den EuGH zu dem Schluss, dass im anhängigen Fall die Durchführung einer SUP nicht verpflichtend sei. Der Landrat erklärt, dass die untere Naturschutzbehörde sowie alle weiteren Partner befürworten würden, eine SUP auf freiwilliger Basis durchzuführen, weil diese im weiteren Prozess hilfreich sein könnte. Er verliest hierzu einen möglichen Beschlussvorschlag: „Der ULV-Ausschuss beauftragt die Verwaltung, auch ohne explizite Rechtspflicht eine Strategische Umweltprüfung auf freiwilliger Basis zur Vorbereitung des förmlichen Verordnungsänderungsverfahrens durchzuführen. Hierbei sind Synergieeffekte hinsichtlich der Untersuchungen für das Einzelgenehmigungs-verfahren (spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (SaP) und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)) in enger Abstimmung mit dem Projektträger GCE zu nutzen.“

Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann erklärt, sollte 10-H als ein Kriterium für eine Zonierung genommen werden, dann werde das wahrscheinlich vom Verwaltungsgericht aufgehoben werden. Er hält dieses Kriterium für nicht sinnvoll und sei seines Erachtens überholt. Es gebe hierzu bereits deutliche höchstrichterliche Äußerungen wonach nur Aspekte, die sich aus dem Landschaftsschutzgebiet selber heraus ergeben für die Zonierung herangezogen werden dürften. Daher sei die 10-H-Regelung kein Thema für die LSG-Zonierung, so Prof. Schöbel-Rutschmann.

KRin Bianka Poschenrieder verliest aus dem Schreiben der Regierung von Oberbayern, als Höhere Naturschutzbehörde folgenden Satz „Es ist u.E. nicht zwingend erforderlich, dass auf jeder Teilfläche eines Schutzgebietes alle Schutzzwecke der Verordnung in vollem Umfang verwirklicht werden.“ und erklärt, dass ihr die Aussage der Höheren Naturschutzbehörde Aufschwung gebe und der Landkreis endlich durchstarten könne. Sie spricht sich dafür aus, eine freiwillige SUP durchzuführen, weil die daraus gewonnenen Werte für die weiteren Verfahren verwendet werden können.

An Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann gewandt erkundigt sich KR Manfred Schmidt, ob er bereits die Auswirkung der Zonierung auf die stärker geschützten FFH-Gebiete geprüft habe, die teilweise nur 1.500 m bzw. 1.800 m von den geplanten Windrädern entfernt seien. Er begründet seine Anfrage insofern, dass die Bechsteinfledermaus mit einem Aktionsradius von bis zu 10 km damit einem erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt sei.
KR Manfred Schmidt hält ein ausführliches Statement (Anlage 6 zum Protokoll) in dem er u.a. erklärt, dass ihm die Sitzungsvorlage durch die vorzeitige Anrufung der Höheren Naturschutzbehörde (HNB) den Eindruck eines ausgeprägten Misstrauens gegenüber der unteren Naturschutzbehörde (uNB) sowie den „Hausjuristen“ des Landratsamtes bzw. die Unzufriedenheit mit deren Einschätzung vermittle. Des Weiteren klinge für ihn die in der Sitzungsvorlage formulierte Feststellung, dass die HNB somit die rechtlichen Bedenken der uNB und der juristischen Fachabteilung im Landratsamt gegen die Anwendung der Zonierung nicht teile, eher nach einem unverhohlenen Triumph. Außerdem ergebe sich für ihn, aus der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens, das Beteiligungsgebot des bei der HNB angesiedelten Naturschutzbeirates, wobei dessen Nicht-Beteiligung wohl als weiterer Mangel zu rügen sei.

Eingehend auf die Frage von KR Schmidt erklärt Friederike Paster, Abteilungsleiterin 4, Bau und Umwelt, dass die Prüfung der Fledermäuse nicht Gegenstand des Auftrags an Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann war, denn das zähle zum Naturhaushalt und dieses Thema werde im Verfahren betrachtet werden.

Eingehend auf die Anmerkung von KR Schmidt zur Sitzungsvorlage und dem Satz, dass die HNB eine andere rechtliche Auffassung habe als die uNB, erklärt Friederike Paster, dass sich ihre Abteilung zur Klärung genau dieser Frage an die HNB gewandt habe, ob die von ihr vorgenommene strengere Auslegung richtig sei – somit sei das geklärt. Den Satz habe sie selbst in die Sitzungsvorlage hineinformuliert. Für sie stelle es kein Problem dar, dass die HNB zu diesem abweichenden Schluss komme. Zur monierten Nicht-Beteiligung des bei der HNB angesiedelten Naturschutzbeirates erklärt Friederike Paster, dass es richtig sei, Naturschutzbeiräte an bestimmten Verfahren zu beteiligen, aber momentan gebe es noch keines. Sobald ein Verfahren eingeleitet werde, müsse geprüft werden, welcher Naturschutzbeirat hier zu beteiligen sei.

KR Toni Ried bezeichnet das vorliegende Gutachten als „Augenwischerei“. Er merkt an, dass ein Waldgebiet zerstört werde und erklärt, dass er dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen werde.

KR Thomas von Sarnowski bedankt sich bei Prof. Dr. Schöbel-Rutschmann für das Gutachten, das er sehr überzeugend fand. Er erklärt, dass es für ihn und für seine Fraktion (Bündnis 90 /Die Grünen) sehr einleuchtend und sehr erhellend war. Im Namen der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärt er, dass sie sich freuen, nun die nächsten Schritte in Richtung Bau der Windenergieanlagen gehen zu können. Er betont, wie wichtig es sei, Klimaschutz zu betreiben und die Klimawende voranzubringen – auch, damit der Wald erhalten bleibt.

Nachdem es keine weitere Wortmeldung gibt, stellt der Landrat den Beschlussvorschlag ergänzt um die Strategische Umweltprüfung auf freiwilliger Basis (Nummer 3) zur Abstimmung.


Der ULV-Ausschuss fasst folgenden Beschluss:

1.   Der ULV nimmt das vorgestellte Konzept zur Kenntnis.

2.   Die Verwaltung wird beauftragt, die Anregungen von Prof. Dr. Schöbel bei der Modifizierung der LSG- Verordnung zu berücksichtigen.

3.   Der ULV-Ausschuss beauftragt die Verwaltung, auch ohne explizite Rechtspflicht eine Strategische Umweltprüfung auf freiwilliger Basis zur Vorbereitung des förmlichen Verordnungsänderungsverfahrens durchzuführen. Hierbei sind Synergieeffekte hinsichtlich der Untersuchungen für das Einzelgenehmigungs-verfahren (spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (SaP) und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)) in enger Abstimmung mit dem Projektträger GCE zu nutzen.