KR Manfred Schmidt stellt folgende Fragen an den Landrat und ist mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden (Anlage 9 zum Protokoll):

·         Nehmen Sie für die geplante Änderung der Schutzgebietsverordnung für den Ebersberger Forst externen Sachverstand in Anspruch und wenn ja, durch wen und mit welchen Kosten?

Antwort:

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 02.08.21 unter TOP 11 beschlossen,

3. Die Verwaltung wird ermächtigt, alle hierfür notwendigen Aufträge, z.B. zur Rechtsberatung oder an Planungsbüros im Haushaltsjahr 2021 bis zu einer Höhe von 50.000,- zu beauftragen. Weil im Haushalt 2021 keine Mittel zur Verfügung stehen, werden diese außerplanmäßig zur Verfügung gestellt.

Der ULV-Ausschuss hat in seiner Sitzung am 06.10.2021 unter TOP 6 die Verwaltung beauftragt,

auch ohne explizite Rechtspflicht eine Strategische Umweltprüfung auf freiwilliger Basis zur Vorbereitung des förmlichen Verordnungsänderungsverfahrens durchzuführen. Hierbei sind Synergieeffekte hinsichtlich der Untersuchungen für das Einzelgenehmigungsverfahren (spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (SaP) und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)) in enger Abstimmung mit dem Projektträger GCE zu nutzen.

Im Rahmen der Haushaltsaufstellung wurden für Rechtsberatung und erforderliche Gutachten 55.000€ für das Haushaltsjahr 2022 veranschlagt.

Um dem Ziel des Kreistages, die Verordnungsänderung rechtssicher durchzuführen, gerecht zu werden, ist beabsichtigt, externen Sachverstand in Anspruch zu nehmen. Dies beinhaltet sowohl die komplexen Fragestellungen im fachlichen Bereich, im Speziellen bei der Durchführung der strategischen Umweltprüfung, als auch die Unterstützung zu rechtlichen Fragestellungen der Verordnungsänderung.

Die künftigen Vertragspartner zur Durchführung der SUP und zur rechtlichen Beratung sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt und werden im Rahmen der rechtlich vorgeschriebenen Vergabeverfahren ausgewählt. Mit der Erstellung des Leistungsverzeichnisses für die Durchführung der SUP und der qualitätssichernden Begleitung der Untersuchungen wurde Herr Dr. Joachim Hartlik beauftragt, ein Experte im Bereich der Instrumente der Umweltfolgenabschätzung.

·         Ist es nicht sinnvoll, vor dieser Änderung erst eine frühzeitige Vorprüfung, nämlich das sog. Screening durchzuführen, in dem die möglichen Auswirkungen auf die benachbarten Natura-2000-Gebiete (FFH-Gebiete) untersucht werden?

·         Ist Ihnen bekannt, dass sowohl nach der Habitat- sowie Vogelschutz-Richtlinie der EU als auch durch ergänzende EuGH-Entscheidungen die Öffentlichkeit und die anerkannten Naturschutzorganisationen von Anbeginn aller einzelnen Verfahrensschritte und nicht erst nach Vorliegen der Ergebnisse zu beteiligen sind und werden Sie das uneingeschränkt befolgen?


Antwort:

Im Rahmen der durchzuführenden strategischen Umweltprüfung werden die Umweltauswirkungen durch die Verordnungsänderung auf die (relevanten) Schutzgüter i.S.d. § 2 UVPG untersucht. In einem ersten Verfahrensschritt der strategischen Umweltprüfung werden im sogenannten Scopingverfahren (§ 39 UVPG) Inhalt, Umfang und Detaillierungsgrad des Untersuchungsrahmens für den Umweltbericht festgelegt. Bereits hier wird man sich mit den Auswirkungen auch auf das FFH Gebiet Ebersberger und Großhaager Forst befassen.

Folgende konkretisierte Erhaltungsziele (siehe Managementplan für das FFH-Gebiet Teil I Maßnahmen) sind hierbei relevant:

1.    Erhaltung des weitgehend unzerschnittenen Ausschnitts des Großhaager Forstes mit naturnahen Feuchtwaldkomplexen, Toteislöchern, Vernässungen und Mähwiesen. Erhaltung des für den jeweiligen Lebensraumtyp spezifischen Wasser-, Nähr- und Mineralstoffhaushalts. Erhalt der funktionalen Einbindung der Lebensraumtypen sowie ihrer typischen Habitatelemente in den Wald-Komplex. Erhaltung der weitgehend unzerschnittenen Teile des Ebersberger Forstes, auch insbesondere als einzigem bekanntem Fortpflanzungsgebiet der Bechsteinfledermaus in Südostbayern.

2.    Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Stillgewässer (natürliche eutrophe Seen), insbesondere ihrer natürlichen Entwicklung; Erhaltung unbefestigter und unerschlossener Uferbereiche ein-schließlich natürlicher Verlandungszonen.

3.    Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Waldmeister-Buchenwälder, der prioritären Moorwälder und der prioritären Erlen- und Eschenwälder in naturnaher Struktur und Baumartenzusammen-setzung mit ausreichendem Angebot an Alt- und Totholz.

4.    Erhaltung bzw. Wiederherstellung der prioritären Kalktuffquellen mit ihren charakteristischen Habitatstrukturen sowie hydrogeologischen Strukturen und Prozessen.

5.    Erhalt bzw. Wiederherstellung der kalkreichen Niedermoore mit ihrer weitgehend gehölzfreien Struktur, auch als Lebensraum des Kriechenden Scheiberichs. Erhaltung bzw. Wiederherstellung der mageren Flachland-Mähwiesen.

6.    Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Vorkommen des Kriechenden Scheiberichs und seiner Standorte mit spezifischem Wasser- und Nährstoffhaushalt und ausreichendem Lichtgenuss.

7.    Erhaltung der Populationen von Kammmolch und Gelbbauchunke. Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Laichgewässer und ihrer Habitatqualität, ihrer Vernetzung untereinander und mit den umliegenden Landhabitaten.

8.    Erhaltung der Populationen der Bechsteinfledermaus. Erhaltung bzw. Wiederherstellung eines ausreichenden Quartierangebotes im Gebiet (natürliche Quartiere und Nistkästen; Störungsfreiheit zur Fortpflanzungszeit von Mai bis August). Gemäß Windenergieerlass – BayWEE (Windenergie-Erlass_2016.pdf (bayern.de)) kann in der Anlage 6 auf Seite 57 entnommen werden, dass die Bechsteinfledermaus nicht zu den kollisionsgefährdeten Fledermausarten gehört.

Sowohl im Scopingverfahren gemäß § 39 UVPG als auch bei den Verfahren zur FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß § 34 BNatSchG werden die anerkannten Umweltvereinigungen nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes beteiligt.

Hierbei ist geplant, sich nicht am „gesetzlichen Minimum“ des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zu orientieren sondern über die gesetzlich zu beteiligen Verbände hinaus auch weiteren örtlichen Vereinigungen (auf der Pro- und Contraseite) Gelegenheit zur Stellungnahme zur Scopingunterlage, in der der Untersuchungsrahmen für die SUP festgelegt werden wird, und zur Entscheidung im FFH-Vorprüfungsverfahren zu geben.

Dem bereits im Verfahren zum Bürgerentscheid angestrebten und gelebten Prinzip einer umfassenden Information der Öffentlichkeit werden wir auch im Verfahren zur Änderung der Landschaftsschutzverordnung treu bleiben. In welcher konkreten Ausgestaltung dies über die gesetzlich vorgeschriebene Form hinaus ermöglicht werden kann, bedarf noch weitere Planungen und hängt sicher auch von den dann aktuell herrschenden Pandemiebedingungen ab. Im Rahmen des förmlichen Verfahrens zur Änderung der Landschaftsschutzverordnung werden die Entwürfe der Rechtsverordnung für die Dauer eines Monats öffentlich ausgelegt. Hierdurch wird der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben, Bedenken und Anregungen vorzubringen (Art. 52 BayNatSchG).

Wie bisher schon praktiziert, wird der ULV-Ausschuss regelmäßig in öffentlichen Sitzungen über den aktuellen Stand des Projektes informiert. So wird im ULV-Ausschuss am 09.02.2022 über den aktuellen Sachstand ausführlich berichtet werden.

Wie es sich in der Vergangenheit bereits bewährt hat, wird darüber hinaus auch wieder ein Arbeitskreis aus Vertretern der Fraktionen, des Naturschutzbeirates sowie der Verwaltung die Erstellung der beauftragten strategischen Umweltprüfung begleiten.

·         Werden Sie bei Wegfall der „10H-Regelung“ auf den Windpark im Ebersberger Forst verzichten, weil sozusagen die politische Geschäftsgrundlage entfällt?

Antwort:

Trotz der aktuell eingeleiteten Diskussion zu 10 H, besteht für den Landkreis derzeit keine Veranlassung, die jüngst mit deutlichen Mehrheiten gefassten Beschlüsse zu hinterfragen.

Der Landkreis hat sich als Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral die Energieversorgung sicherzustellen. Ein ehrgeiziges Ziel, welches nur mit aktiver Unterstützung der Gemeinden gelingen kann. Diese haben es auch aktuell schon in der Hand, durch Bauleitplanung die Errichtung von WEA zu ermöglichen. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Landkreises sind hier lediglich appelativer Natur.

Das Bestreben des Landkreises zur Änderung der Schutzgebietsverordnung, um Windenergieanlagen in begrenztem Umfang auch im Landschaftsschutzgebiet realisieren zu können, ist der Beitrag des Landkreises und als Richtungszeig und Appell an die Gemeinden zu sehen, ebenfalls das Ihnen Mögliche zur Realisierung der Energiewende zu tun.

Zum letzten Punkt nimmt der Landrat zudem sogleich Stellung. Die „10H-Regelung“ sei mit Kreistagsbeschluss vom 20.01.2020 unter Berücksichtigung der Kriterien wie Wildruhezone, FFH-Gebiete und Wasserschutzzone geregelt worden. Seine klare politische Meinung sei es die „10H-Regelung“ einzuhalten, was im Ebersberger Forst auch unproblematisch möglich sei. Die Aufstellung der fünf Windräder an der Westseite des Ebersberger Forstes zwischen Anzing und Wolfesing sei lediglich eine Idee. Der Standort könne durch die Verfahren eine vollständige Änderung erfahren, hier könne man den Untersuchungen nicht vorgreifen, so der Landrat.

Der Landrat schließt den öffentlichen Teil der Sitzung. Anschließend folgt ein nichtöffentlicher Teil.