Sitzung: 29.11.2021 ULV-Ausschuss
KR Manfred Schmidt stellt folgende Fragen an den Landrat und ist mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden (Anlage 9 zum Protokoll):
·
Nehmen
Sie für die geplante Änderung der Schutzgebietsverordnung für den Ebersberger
Forst externen Sachverstand in Anspruch und wenn ja, durch wen und mit welchen
Kosten?
Antwort:
Der
Kreistag hat in seiner Sitzung am 02.08.21 unter TOP 11 beschlossen,
3.
Die Verwaltung wird ermächtigt, alle hierfür notwendigen Aufträge, z.B. zur
Rechtsberatung oder an Planungsbüros im Haushaltsjahr 2021 bis zu einer Höhe
von 50.000,- zu beauftragen. Weil im Haushalt 2021 keine Mittel zur Verfügung
stehen, werden diese außerplanmäßig zur Verfügung gestellt.
Der
ULV-Ausschuss hat in seiner Sitzung am 06.10.2021 unter TOP 6 die Verwaltung
beauftragt,
auch
ohne explizite Rechtspflicht eine Strategische Umweltprüfung auf freiwilliger
Basis zur Vorbereitung des förmlichen Verordnungsänderungsverfahrens
durchzuführen. Hierbei sind Synergieeffekte hinsichtlich der Untersuchungen für
das Einzelgenehmigungsverfahren (spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (SaP)
und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)) in enger Abstimmung mit dem
Projektträger GCE zu nutzen.
Im
Rahmen der Haushaltsaufstellung wurden für Rechtsberatung und erforderliche
Gutachten 55.000€ für das Haushaltsjahr 2022 veranschlagt.
Um
dem Ziel des Kreistages, die Verordnungsänderung rechtssicher durchzuführen,
gerecht zu werden, ist beabsichtigt, externen Sachverstand in Anspruch zu
nehmen. Dies beinhaltet sowohl die komplexen Fragestellungen im fachlichen
Bereich, im Speziellen bei der Durchführung der strategischen Umweltprüfung,
als auch die Unterstützung zu rechtlichen Fragestellungen der
Verordnungsänderung.
Die
künftigen Vertragspartner zur Durchführung der SUP und zur rechtlichen Beratung
sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt und werden im Rahmen der
rechtlich vorgeschriebenen Vergabeverfahren ausgewählt. Mit der Erstellung des
Leistungsverzeichnisses für die Durchführung der SUP und der
qualitätssichernden Begleitung der Untersuchungen wurde Herr Dr. Joachim
Hartlik beauftragt, ein Experte im Bereich der Instrumente der
Umweltfolgenabschätzung.
·
Ist es
nicht sinnvoll, vor dieser Änderung erst eine frühzeitige Vorprüfung, nämlich
das sog. Screening durchzuführen, in dem die möglichen Auswirkungen auf die
benachbarten Natura-2000-Gebiete (FFH-Gebiete) untersucht werden?
·
Ist Ihnen
bekannt, dass sowohl nach der Habitat- sowie Vogelschutz-Richtlinie der EU als
auch durch ergänzende EuGH-Entscheidungen die Öffentlichkeit und die
anerkannten Naturschutzorganisationen von Anbeginn aller einzelnen
Verfahrensschritte und nicht erst nach Vorliegen der Ergebnisse zu beteiligen
sind und werden Sie das uneingeschränkt befolgen?
Antwort:
Im
Rahmen der durchzuführenden strategischen Umweltprüfung werden die
Umweltauswirkungen durch die Verordnungsänderung auf die (relevanten)
Schutzgüter i.S.d. § 2 UVPG untersucht. In einem ersten Verfahrensschritt der
strategischen Umweltprüfung werden im sogenannten Scopingverfahren (§ 39 UVPG)
Inhalt, Umfang und Detaillierungsgrad des Untersuchungsrahmens für den
Umweltbericht festgelegt. Bereits hier wird man sich mit den Auswirkungen auch
auf das FFH Gebiet Ebersberger und Großhaager Forst befassen.
Folgende
konkretisierte Erhaltungsziele (siehe Managementplan für das FFH-Gebiet Teil I
Maßnahmen) sind hierbei relevant:
1. Erhaltung
des weitgehend unzerschnittenen Ausschnitts des Großhaager Forstes mit
naturnahen Feuchtwaldkomplexen, Toteislöchern, Vernässungen und Mähwiesen.
Erhaltung des für den jeweiligen Lebensraumtyp spezifischen Wasser-, Nähr- und
Mineralstoffhaushalts. Erhalt der funktionalen Einbindung der Lebensraumtypen
sowie ihrer typischen Habitatelemente in den Wald-Komplex. Erhaltung der
weitgehend unzerschnittenen Teile des Ebersberger Forstes, auch insbesondere
als einzigem bekanntem Fortpflanzungsgebiet der Bechsteinfledermaus in
Südostbayern.
2. Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der Stillgewässer (natürliche eutrophe Seen),
insbesondere ihrer natürlichen Entwicklung; Erhaltung unbefestigter und
unerschlossener Uferbereiche ein-schließlich natürlicher Verlandungszonen.
3. Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der Waldmeister-Buchenwälder, der prioritären Moorwälder
und der prioritären Erlen- und Eschenwälder in naturnaher Struktur und
Baumartenzusammen-setzung mit ausreichendem Angebot an Alt- und Totholz.
4. Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der prioritären Kalktuffquellen mit ihren
charakteristischen Habitatstrukturen sowie hydrogeologischen Strukturen und
Prozessen.
5. Erhalt
bzw. Wiederherstellung der kalkreichen Niedermoore mit ihrer weitgehend
gehölzfreien Struktur, auch als Lebensraum des Kriechenden Scheiberichs.
Erhaltung bzw. Wiederherstellung der mageren Flachland-Mähwiesen.
6. Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der Vorkommen des Kriechenden Scheiberichs und seiner
Standorte mit spezifischem Wasser- und Nährstoffhaushalt und ausreichendem
Lichtgenuss.
7. Erhaltung
der Populationen von Kammmolch und Gelbbauchunke. Erhaltung bzw.
Wiederherstellung der Laichgewässer und ihrer Habitatqualität, ihrer Vernetzung
untereinander und mit den umliegenden Landhabitaten.
8. Erhaltung
der Populationen der Bechsteinfledermaus. Erhaltung bzw. Wiederherstellung
eines ausreichenden Quartierangebotes im Gebiet (natürliche Quartiere und
Nistkästen; Störungsfreiheit zur Fortpflanzungszeit von Mai bis August). Gemäß Windenergieerlass
– BayWEE (Windenergie-Erlass_2016.pdf
(bayern.de)) kann in der Anlage 6 auf Seite 57 entnommen
werden, dass die Bechsteinfledermaus nicht zu den kollisionsgefährdeten
Fledermausarten gehört.
Sowohl
im Scopingverfahren gemäß § 39 UVPG als auch bei den Verfahren zur
FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß § 34 BNatSchG werden die anerkannten
Umweltvereinigungen nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes beteiligt.
Hierbei
ist geplant, sich nicht am „gesetzlichen Minimum“ des
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zu orientieren sondern über die gesetzlich zu
beteiligen Verbände hinaus auch weiteren örtlichen Vereinigungen (auf der Pro-
und Contraseite) Gelegenheit zur Stellungnahme zur Scopingunterlage, in der der
Untersuchungsrahmen für die SUP festgelegt werden wird, und zur Entscheidung im
FFH-Vorprüfungsverfahren zu geben.
Dem
bereits im Verfahren zum Bürgerentscheid angestrebten und gelebten Prinzip
einer umfassenden Information der Öffentlichkeit werden wir auch im Verfahren
zur Änderung der Landschaftsschutzverordnung treu bleiben. In welcher konkreten
Ausgestaltung dies über die gesetzlich vorgeschriebene Form hinaus ermöglicht
werden kann, bedarf noch weitere Planungen und hängt sicher auch von den dann
aktuell herrschenden Pandemiebedingungen ab. Im Rahmen des förmlichen
Verfahrens zur Änderung der Landschaftsschutzverordnung werden die Entwürfe der
Rechtsverordnung für die Dauer eines Monats öffentlich ausgelegt. Hierdurch
wird der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben, Bedenken und Anregungen
vorzubringen (Art. 52 BayNatSchG).
Wie
bisher schon praktiziert, wird der ULV-Ausschuss regelmäßig in öffentlichen
Sitzungen über den aktuellen Stand des Projektes informiert. So wird im ULV-Ausschuss
am 09.02.2022 über den aktuellen Sachstand ausführlich berichtet werden.
Wie
es sich in der Vergangenheit bereits bewährt hat, wird darüber hinaus auch wieder
ein Arbeitskreis aus Vertretern der Fraktionen, des Naturschutzbeirates sowie
der Verwaltung die Erstellung der beauftragten strategischen Umweltprüfung
begleiten.
·
Werden
Sie bei Wegfall der „10H-Regelung“ auf den Windpark im Ebersberger Forst verzichten,
weil sozusagen die politische Geschäftsgrundlage entfällt?
Antwort:
Trotz der aktuell eingeleiteten Diskussion zu 10 H, besteht für den Landkreis derzeit keine Veranlassung, die jüngst mit deutlichen Mehrheiten gefassten Beschlüsse zu hinterfragen.
Der Landkreis hat sich als Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral die Energieversorgung sicherzustellen. Ein ehrgeiziges Ziel, welches nur mit aktiver Unterstützung der Gemeinden gelingen kann. Diese haben es auch aktuell schon in der Hand, durch Bauleitplanung die Errichtung von WEA zu ermöglichen. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Landkreises sind hier lediglich appelativer Natur.
Das Bestreben des Landkreises zur Änderung der Schutzgebietsverordnung, um Windenergieanlagen in begrenztem Umfang auch im Landschaftsschutzgebiet realisieren zu können, ist der Beitrag des Landkreises und als Richtungszeig und Appell an die Gemeinden zu sehen, ebenfalls das Ihnen Mögliche zur Realisierung der Energiewende zu tun.
Zum letzten Punkt nimmt der Landrat zudem sogleich Stellung. Die „10H-Regelung“ sei mit Kreistagsbeschluss vom 20.01.2020 unter Berücksichtigung der Kriterien wie Wildruhezone, FFH-Gebiete und Wasserschutzzone geregelt worden. Seine klare politische Meinung sei es die „10H-Regelung“ einzuhalten, was im Ebersberger Forst auch unproblematisch möglich sei. Die Aufstellung der fünf Windräder an der Westseite des Ebersberger Forstes zwischen Anzing und Wolfesing sei lediglich eine Idee. Der Standort könne durch die Verfahren eine vollständige Änderung erfahren, hier könne man den Untersuchungen nicht vorgreifen, so der Landrat.
Der Landrat schließt den öffentlichen Teil der Sitzung. Anschließend folgt ein nichtöffentlicher Teil.