Sitzung: 02.02.2022 SFB-Ausschuss
Beschluss: einstimmig angenommen
Abstimmung: Ja: 15, Nein: 0, Anwesend: 15
Vorlage: 2022/0606
Sachvortragende(r): |
Dr. Peter Huber, Pflegedirektor Kreisklinik Ebersberg gGmbH |
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Jochen Specht, Teamleiter Demografie |
Der Landrat begrüßt den Pflegedirektor der Kreisklinik Dr. Peter Huber und erteilt der Antragstellerin Kreisrätin Marina Matjanovski das Wort. Sie erläutert in ihrem Statement, dass der Prüfantrag die Essenz aus den Berichten der Träger und den verabschiedeten Inhalten am ‚Runden Tisch Pflege‘ sei, an dem sie selbst mitgewirkt habe, sowie aus den Empfehlungen des Seniorenpolitischen Konzepts. Darüber hinaus habe ihre berufliche Erfahrung und der persönliche Austausch mit Pflegeleitungen und Pflegekräften im Landkreis, aber auch aufgrund der Rückmeldungen von pflegebedürftigen Menschen, die nicht nur positive Erfahrungen auf der Suche nach Kurzzeitpflege/ambulanter und häuslicher Beatmungspflege im Landkreis gemacht hätten, sie zu diesem Antrag bewogen. Der Mangel an Pflegekräfte werde zumeist als Ursache von Defiziten angegeben - aber, der Markt an Pflegekräften sei „leer gefegt“, so KRin Matjanovski. Gleichzeitig nehme die Zahl der pflegebedürftigen Menschen aber weiter zu, auch aufgrund des demografischen Wandels. Die Pandemie habe den Pflegekräften sehr zugesetzt. Sie müssen viel kränkere Menschen (hochbetagte, infektiöse) pflegen, die auch ein höheres Maß an Pflege benötigen würden; daher wandern auch immer mehr Pflegekräfte in andere Berufe ab. Es bestehe auch vermehrt Beschäftigungsverbot bei Schwangerschaften. In den nächsten Jahren werden auch viele Mitarbeiter in den Ruhestand gehen, wodurch sich die Zahl an Pflegekräften nochmals reduziere. In Folge dessen herrsche auf vielen Stationen „Aufnahme Stopp!“, so KRin Matjanovski. Die Pflege befinde sich in einem Kollaps-Zustand. Sie appelliert, die neue generalistische Pflegeausbildung als Chance zu nutzen, um alle Auszubildenden aus den Pflegeeinrichtungen und der Kreisklinik des Landkreises Ebersberg in der Berufsfachschule für Krankenpflege als Pflegefachfrau/ –mann, Altenpfleger*innen und Kinderkrankenschwester/ –pfleger auszubilden. Eine Erhöhung der Zahl an Ausbildungsplätzen würde die Quantität des Pflegepersonals und die Qualität der Pflege langfristig erfüllen. Die Auszubildenden würden die meisten ihrer praktischen Einsätze in den Pflegeeinrichtungen und der Kreisklinik des Landkreises absolvieren und so die Pflegeteams stärken. Sie plädiert, einen neuen Weg mit der einjährigen Ausbildung für Krankenpflegehelfer*in einzuschlagen, um dadurch Schülern mit „Quali“ einen Einstieg und Zugang zur dreijährigen Ausbildung „Pflegefachfrau/-mann“ zu ermöglichen. Sie informiert über das Berufsorientierungsprogramm (BOK) in dessen Rahmen die Schüler der Haupt- und Mittelschule ihr erstes Pflegepraktikum in der Kreisklinik absolvieren, wobei das positive Feedback das bestehende Interesse der Schüler*innen an der Pflegeausbildung bestätigen würde, so KRin Matjanovski. Sie bittet die Verwaltung in Zusammenarbeit mit der Klinik Folgendes zu prüfen:
a) Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Aufstockung der vorhandenen Ausbildungsplätze für den Beruf der Pflegefachfrau/-mann möglichst schnell umgesetzt werden kann?
b) Wie viele zusätzliche Ausbildungsplätze und Kurse in Ebersberg in diesem Zusammenhang sinnvoll und machbar sind?
c) Ob auch in Ebersberg ein einjähriger Ausbildungsgang für Krankenpflegehelfer*in angeboten werden kann und wenn ja, mit wie vielen Auszubildenden?
d) Ob die leerstehenden Räume im Sparkassengebäude als Unterrichtsräume („Übergangslösung“) für die Übergangsklassen geeignet und verfügbar sind.
Sie bittet um Unterstützung des Antrages zur Erweiterung der Berufsfachschule, um damit Nachwuchs im Pflegebereich zu gewinnen.
Dr. Peter Huber erläutert im Rahmen einer Präsentation (Anlage 5 zum Protokoll) die Bevölkerungsveränderung im Landkreis Ebersberg 2039 gegenüber 2019, den Anstieg der Pflegebedürftigkeit der Patienten in der Klinik, wie der Bedarf an professioneller Pflege steigt, wie die Pflege durch Corona am Limit ist und deren Konsequenzen im Jahr 2020, den Fachkräftemangel, die Möglichkeiten der Personalschaffung (Horizontale Fluktuation, Ausland und dem „Königsweg“ Ausbildung), wie die Ausbildung funktioniert und deren Nachfrage im Jahr 2022, das Angebot (Berufsfachschule Pflege und Krankenpflegehilfe, Weiterbildungen Anerkennungslehrgänge usw.) sowie anhand einiger Fotos die beengten Verhältnisse in den aktuellen Unterrichtsräumen an der Klinik. Mit der Hochschule München gebe es inzwischen eine Kooperation, wobei Studierende in der Klinik eingesetzt und idealerweise dann übernommen werden, so Dr. Huber, so sei der akademische Bereich abgedeckt. Keinen Bedarf sehe man an der Klinik für die Ausbildung zur Krankenpflegehelfer*in, so Dr. Huber weiter, denn es gebe eine gute Kooperation mit Erding und deren Ausbildungszentrum. Bei den Fort- und Weiterbildungen sehe er einen Bedarf, vor allem wegen dem medizinischen Fortschritt und der generalistischen und damit „flacheren“ Ausbildung. Sehr dringend sei der Bedarf, so Dr. Huber, bei der Erweiterung der 3-jährigen Pflegeausbildung, denn hier gebe es eine gute Möglichkeit Personal nach der Schule zu rekrutieren, denn die Berufsfachschule habe eine Übernahmequote von ca. 80 %, wohingegen andere Fachschulen im Durchschnitt nur unter 50 % der Schüler übernehmen würden. Voraussetzung für die Erweiterung der Pflegeausbildung sei ein Gebäude mit der Möglichkeit der Erweiterung, so Dr. Huber.
Der Landrat informiert, dass der Landkreis schon früher versucht habe, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen und zwar im Berufsbildungswerk St. Zeno, was aber aufgrund der Förderbestimmungen nicht zustande kam, denn die Pflegeschule müsse am Standort der Klinik angesiedelt sein. Die Verwaltung gehe davon aus, so der Landrat, dass im kommenden Jahr der Baubeginn der neuen zentralen Notaufnahme sein wird und im Zuge dessen könnten dort neue Räume für die Pflegeschule zukunftsfähig untergebracht werden.
Jochen Specht merkt einführend an, dass aus Sicht der
Verwaltung die Erweiterung des Angebots zur Pflege-Berufsausbildung ein
wichtiges und zukunftsträchtiges Thema für den Landkreis sei. Allerdings müsse
zwischen den einzelnen Pflegebereichen (Altenpflege, Kreisklinik etc.)
differenziert werden. Daher sei der Vorschlag der Verwaltung (Ziffern 1 und 2
des Beschlussvorschlages) erst die Ausbildungssituation im Bereich der Pflege
im Landkreis Ebersberg bei allen Ausbildungsträgern zu erfragen, um dann die
Ergebnisse dem SFB-Ausschuss vorzustellen. Die weitere Beratung des Antrags
erfolge dann auf Basis der ermittelten Bedarfssituation, so Jochen Specht.
Im Rahmen einer Präsentation (Anlage 6 zum Protokoll) geht er auf die einzelnen
Punkte des Prüfantrages aus Sicht der Verwaltung ein.
Kreishandwerksmeister und Kreisrat Johann Schwaiger berichtet, wie begeistert die Schülerinnen und Schüler im Rahmen von berufsorientierten Praktika in der Kreisklinik waren und einige auch an einer Ausbildung im Pflegebereich interessiert seien. Er werde dem Antrag seiner Fraktion dennoch zustimmen, denn der Bedarf an Pflegekräften sei hoch.
KR Dr. Seidelmann (Kreistagsfraktion Freie Wähler/Bayernpartei) unterstützt aufgrund des eklatanten Pflegenotstandes und der hohen Arbeitsbelastung des Pflegepersonals den Antrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion. Er plädiert für bessere Lohn-und Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte, was die Attraktivität für diesen Berufsstand steigern würde, sowie auf Landkreisebene attraktivere neue Unterrichtsräume zu schaffen, um damit auch zu werben. Da schnelles Handeln erforderlich sei, bittet er die Verwaltung zu prüfen, ob nicht ein Jahrgangskurs in den leerstehenden Räumen des ehemaligen Sparkassengebäudes bereits in diesem Jahr beginnen könne.
KRin Ottilie Eberl (Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) unterstützt ebenfalls den Antrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion, als auch die Ziffer 1 des Beschlussvorschlages der Verwaltung (bei allen Ausbildungsträgern die Ausbildungssituation zu erfragen). Aber, so KRin Eberl, müssten auch noch die weiteren Fragen geklärt werden (Wie ist die Ausbildungssituation in den Einrichtungen? Wie viele Auszubildende können die Einrichtungen tatsächlich aufnehmen? Wie viel qualifiziertes Personal gibt es, die die Auszubildende anleiten können und gibt es genügend Anleitungszeiten?), die ebenfalls von Dr. Huber aufgeworfen wurden. Ebenso müsse ermittelt werden, so KRin Eberl, was das erweiterte Pflegeberufsausbildungs-Angebot den Landkreis koste und was er investieren könne bzw. wolle. Ihre Fraktion befürwortet, neue Räume in der neuen zentralen Notaufnahme zu schaffen. Die Räumlichkeiten des ehemaligen Sparkassengebäudes seien ihres Erachtens dafür nicht geeignet.
Der Landrat schlägt vor, den Prüfantrag der
CSU-FDP-Kreistagsfraktion als Ziffer 1 in den Beschlussvorschlag aufzunehmen
und in Verbindung mit dem Vorschlag der Verwaltung (Ziffer 2 ff) darüber abzustimmen.
Jochen Specht betont,
dass der Verwaltung die Problematik des Pflegenotstands bewusst sei, es bei der
Befassung des Antrags aber um die Frage gehe, ob eine Erweiterung der
Pflegefachschule am Standort Ebersberg diesen Notstand lindere. Er verstehe das Argument, dass aufgrund der
öffentlichen Verkehrsanbindung für manche Auszubildende der Schulstandort in
Erding unattraktiv sei, aber gleichzeitig frage er sich, weshalb es für einen
Pflegeschüler aus Markt Schwaben attraktiver sein sollte, in Ebersberg beschult
zu werden, statt an der Schule in Berg am Laim -und genau zu diesem Punkt müsse
von Seiten der Verwaltung genau hingeschaut werden. Zur schnelleren Umsetzung
merkt er an, dass das Angebot da sei und die Fraktionen ihm ihre Fragen
schicken können.
KRin Christa Stewens geht auf den Vortrag von Dr. Peter Huber ein und erklärt, dass sie eine Lanze für die Pflegehelfer*innen-Ausbildung brechen wolle. Denn viele junge Menschen würden gerne nach dem qualifizierenden Abschluss der Mittelschule oder einem anderen Schulabschluss auch diese Ausbildung machen. Es gebe hierfür nicht nur im Landkreis Ebersberg, sondern überall zu wenig Angebote dafür. Persönlich sei sie der Ansicht, dass Helfer*innen, die viele Jahre gepflegt haben, die Möglichkeit haben sollten, die Fachausbildung nachholen zu können, was ihres Erachtens in jedem Beruf möglich sein müsse, um dadurch einen Aufstieg machen und sich weiterbilden zu können. Der Landkreis solle den jungen Menschen, die die Pflegehelfer*innen-Ausbildung machen wollen, das anbieten, daher setze sie sich auch für den Antrag von KRin Matjanovski und der CSU-FDP-Kreistagsfraktion ein.
KR Ulrich Proske (SPD-Kreistagsfraktion) stimmt dem Antrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion zu, außer dem Prüfantrag, die leerstehenden Räume im ehemaligen Sparkassengebäudes als Übergangslösung als Klassenzimmer zu nutzen. Dieser Punkt müsse raus, so KR Proske, weil dort kurzfristig keine Übergangslösung geschaffen werde könne, was die Mitglieder der Arbeitsgruppe Verwaltungsgebäude Landratsamt wissen und es daher keiner weiteren Prüfung bedürfe.
KRin Marlene Ottinger (Ausschussgemeinschaft ödp/Die Linke) spricht kurz den eklatanten Hebammennotstand an und erklärt, dass sie den Prüfantrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion begrüßt und dem zustimmen werde.
Der Landrat erklärt, dass er die Prüfung des ehemaligen Sparkassengebäudes für Unterrichtsräume im Ergebnis ähnlich kritisch sehe wie KR Proske, weil in der Arbeitsgruppe darüber intensiv diskutiert wurde und nur eine vorübergehende Nutzungsgenehmigung für das Gebäude für die Zeit der Pandemie vorliege (Brandschutz). Auf Nachfrage des Landrats erklären die Antragssteller, dass sie den Punkt als Prüfauftrag beibehalten wollen.
Brigitte Keller, Abteilungsleiterin 1 (Zentrales und Bildung) erklärt, dass die Arbeitsgruppe sich sehr ausführlich mit dem Gebäude befasst habe mit dem Ergebnis, dass keine Wände und keine Decken „angefasst“ werden dürfen und die Räumlichkeiten Büros und keine Klassenzimmer seien.
Der Landrat stellt den Prüfantrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion in Verbindung mit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zur Abstimmung.
Der SFB-Ausschuss fasst
folgenden Beschluss:
1. Dem Prüfantrag (Erweiterung des Angebotes Pflege-Berufsausbildung im Landkreis Ebersberg) der CSU-FDP-Fraktion vom 14.11.2021 wird zugestimmt.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, die Ausbildungssituation im Bereich der Pflege im Landkreis Ebersberg bei allen Ausbildungsträgern zu erfragen und die Ergebnisse im SFB-Ausschuss vorzustellen.
3. Die weitere Beratung des Antrags der CSU/FDP- Fraktion vom 14.11.2021 erfolgt im Anschluss auf Basis der ermittelten Bedarfssituation.
4. Die generelle Nutzbarkeit des ehemaligen Sparkassengebäudes für eine Berufsfachschule für Pflege wird an die Arbeitsgruppe Verwaltungsgebäude Landratsamt (AG VgL) verwiesen.