Sachvortragende(r):

Florian Robdia, Sachgebietsleiter 61, Kreisjugendamt

Der Landrat führt in das Thema ein. Die Zahl der Flüchtlinge und damit auch die Anzahl von geflüchteten Kindern und Jugendlichen sei zuletzt stark gestiegen. Umso wichtiger werde damit auch die Thematik der Kindertagesbetreuung von, derzeit insbesondere ukrainischen Kindern im Landkreis. Hierzu habe sich auch kürzlich der Ausschuss „Gesundheit und Soziales“ des Bayerischen Landkreistages ausgetauscht. Es bestehe zudem stetiger Kontakt mit den zuständigen Behörden sowie Ministerien und die Thematik sei regelmäßig Teil der Bürgermeisterdienstbesprechung.

Florian Robida, Sachgebietsleiter Kreisjugendamt, hält einen Sachvortrag anhand einer Präsentation (Anlage 3 zum Protokoll).

Der Landrat bedankt sich für den engagierten Einsatz des Kreisjugendamts. Die wichtige und notwendige Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge durch die Fachkräfte des Kreisjugendamts sei dabei nicht kalkulierbar gewesen und müsse nun zusätzlich geleistet werden. Derzeit befänden sich etwa 1.850 Kriegsflüchtlinge (davon etwa 750 Kinder) aus der Ukraine im Landkreis, wovon 250 Personen in staatlichen Unterkünften und die überwiegende Anzahl in Privatunterkünften untergebracht seien. Der Landkreis habe damit den Königsteiner Schlüssel mit 150 Prozent übererfüllt. Die Gastfreundschaft im Landkreis sei erfreulicherweise sehr groß, dennoch sei die Situation stark herausfordernd, insbesondere auch im Bereich der Kinderbetreuung. Angesichts der dünnen Personaldecke in vielen Betreuungseinrichtungen sei es erforderlich, die gesetzlichen Anforderungen an Erzieher zu lockern. Derzeit bestehe keine Möglichkeit der Betätigung von ukrainischen Fachkräften aufgrund der vorgegebenen Sprachstandards. Persönlich sei er der Ansicht, dass die Sprachstandards im Rahmen der Betreuung ukrainischer Kinder durch ukrainisches Fachpersonal keine Rolle spielen dürfen, vielmehr sei eine pragmatische Lösung und lebensnahe Betrachtung notwendig.

Auch KRin Maria Wirnitzer bedankt sich für das Engagement des Landratsamtes. Der Rechtsanspruch der ukrainischen Flüchtlingskinder auf einen Betreuungsplatz ab 01.09.2022 stelle eine enorme Herausforderung dar, allein in Vaterstetten seien es 28 Kinder. Die vorliegenden Brückenangebote seien nicht ausreichend, damit könnten die Eltern die Betreuungszeiten nicht abdecken und einer Tätigkeit nachgehen. Eine Erweiterung bestehender Gruppen käme aufgrund der ohnehin überlasteten Betreuungssituation nicht in Frage. Vielmehr müsse, wie der Landrat auch ausgeführt habe, versucht werden pädagogische Fachkräfte aus der Ukraine schnellstmöglich zu vermitteln. Dahingehend bittet sie diesen Lösungsansatz weiter zu forcieren und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.

Christian Salberg spricht sich ebenso für eine pragmatische Lösung der Betreuungsproblematik aus. Die Verwaltung sei an die Vorgaben des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans (BayBEP) gebunden, dessen Zielsetzungen und geschaffene Standards durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales nur ungern aufgehoben würden. Diesbezüglich sei man jedoch mit dem Ministerium im Austausch. Seitens der Verwaltung werde aktuell versucht das ukrainische Fachpersonal auf das Sprachniveau zwei zu heben, was den Vorgaben des Ministeriums entspreche. Zudem werde fortwährend nach weiteren Lösungsansätzen gesucht. Hierzu werde in der kommenden Woche auch ein Gespräch mit Leonhard Spitzauer, Bürgermeister der Gemeinde Vaterstetten, stattfinden.

Sie erkenne das große Engagement der Verwaltung und sehe auch die Kapazitätsgrenzen, so KRin Ottilie Eberl. Derzeit befinde man sich in einer schwierigen Zeit; günstige Wohnungen für ukrainische Geflüchtete seien schwer zu finden und es erfordere gute Kenntnisse über die bürokratischen Vorgaben. Persönlich sei sie sehr dankbar über das Angebot des Landratsamtes sich derartiger Fragestellungen anzunehmen. Bezüglich des Betreuungspersonals durch ukrainische Fachkräfte erkundigt sie sich nach der Möglichkeit diese unbürokratisch nach dessen Interesse anzufragen. Ihres Wissens bestehe bei der Betreuung von Kindern bei einer (privat organisierten) Kindertagespflegeperson keine gesetzlich vorgeschriebene Anforderung einer sozialpädagogischen Qualifikation.

Das Kreisjugendamt habe bereits aktiv einen großen Personenkreis nach bestehendem Interesse einer Tätigkeit im Bereich der Kindertagesbetreuung angefragt, so Florian Robida. Die Kindertagesstättenaufsicht sei Teil der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde des Landratsamtes, sodass man hier als verlängerter Arm der Staatsregierung tätig werde. Mit letztem Ministerialschreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales habe dieses für die Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung gewisse Deutschkenntnisse vorausgesetzt, sodass seitens der Verwaltung keinerlei Ermessenspielraum bestehe. Ein gewisses Maß an Deutscherwerb sei auch im Interesse der Kinder, obgleich die Sprachkenntnisse auch über externe Quellen (z. B. Sportverein) erworben werden könnten.

KRin Antonia Schüller erkundigt sich nach langfristigen Lösungsansätzen. Das Personal habe bereits vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine gefehlt. Dabei sei ihr bewusst, dass die Zuständigkeit hier nicht allein beim Landratsamt liege.

Nach Ansicht von Christian Salberg seien die enormen Personalengpässe nicht so schnell zu lösen. In dieser Berufsbranche bestehe teilweise das Problem unzureichender Wertschätzung und mangelnder Bezahlung. Der ab 2026 bestehende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich führe zu weiteren personellen Schwierigkeit. Auch sei das Personal durch Corona erheblich belastet gewesen. In dieser Zeit habe häufig eine berufliche Neuorientierung des Betreuungspersonals stattgefunden. Beispielsweise blieben in Markt Schwaben manche Gruppen in Kindertageseinrichtungen geschlossen aufgrund von Personalmangel. Eine gute pädagogische Betreuung sei mit dem aktuellen und zukünftig ausgebildeten Personal nicht zu gewährleisten.

Ursache für den Personalmangel im pädagogischen Bereich sei nicht unbedingt die Bezahlung, so Ulrike Bittner (beschließendes Mitglied). Der Durchschnittsverdienst einer Erzieherin liege bei 3.400 € brutto. Vielmehr sehe sie die Schwierigkeiten im Mangel an Schulplätzen. Sie habe mit Stand Ende Mai die Daten aller Kinderpflegeschulen im Großraum München erhoben. Hier wäre eine Eröffnung von 7,5 Schulklassen (entspricht ca. 240 Schüler) möglich, was mangels vorliegender Plätze nicht realisierbar sei. Ähnlich verhalte es sich bei den Erziehern mit 4 Schulklassen. Dabei haben die Verbände gegenüber der Politik stets gefordert in die Ausbildung zu investieren. Die Träger seien bereit pädagogisches Fachpersonal auszubilden. Dies sei aber nicht möglich, wenn es an Schulplätzen mangele.

Der Landrat merkt an, dass damit der geplante Start der Fachakademie für Sozialpädagogik sowie der Berufsfachschule für Kinderpflege im kommenden Jahr umso wertvoller sei.


Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Situationsbericht zur Kindertagesbetreuung ukrainischer Kinder im Landkreis Ebersberg zur Kenntnis.