Sitzung: 30.06.2022 Jugendhilfeausschuss
Vorlage: 2022/0720
Sachvortragende(r): |
Florian Robdia, Sachgebietsleiter 61, Kreisjugendamt |
Der Landrat führt in das Thema ein. Die
Zahl der Flüchtlinge und damit auch die Anzahl von geflüchteten Kindern und
Jugendlichen sei zuletzt stark gestiegen. Umso wichtiger werde damit auch die
Thematik der Kindertagesbetreuung von, derzeit insbesondere ukrainischen
Kindern im Landkreis. Hierzu habe sich auch kürzlich der Ausschuss „Gesundheit
und Soziales“ des Bayerischen Landkreistages ausgetauscht. Es bestehe zudem
stetiger Kontakt mit den zuständigen Behörden sowie Ministerien und die
Thematik sei regelmäßig Teil der Bürgermeisterdienstbesprechung.
Florian Robida, Sachgebietsleiter
Kreisjugendamt, hält einen Sachvortrag anhand einer Präsentation (Anlage 3 zum
Protokoll).
Der Landrat bedankt sich für den
engagierten Einsatz des Kreisjugendamts. Die wichtige und notwendige
Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge durch die Fachkräfte des
Kreisjugendamts sei dabei nicht kalkulierbar gewesen und müsse nun zusätzlich
geleistet werden. Derzeit befänden sich etwa 1.850 Kriegsflüchtlinge (davon
etwa 750 Kinder) aus der Ukraine im Landkreis, wovon 250 Personen in
staatlichen Unterkünften und die überwiegende Anzahl in Privatunterkünften
untergebracht seien. Der Landkreis habe damit den Königsteiner Schlüssel mit
150 Prozent übererfüllt. Die Gastfreundschaft im Landkreis sei
erfreulicherweise sehr groß, dennoch sei die Situation stark herausfordernd,
insbesondere auch im Bereich der Kinderbetreuung. Angesichts der dünnen
Personaldecke in vielen Betreuungseinrichtungen sei es erforderlich, die
gesetzlichen Anforderungen an Erzieher zu lockern. Derzeit bestehe keine
Möglichkeit der Betätigung von ukrainischen Fachkräften aufgrund der vorgegebenen
Sprachstandards. Persönlich sei er der Ansicht, dass die Sprachstandards im
Rahmen der Betreuung ukrainischer Kinder durch ukrainisches Fachpersonal keine
Rolle spielen dürfen, vielmehr sei eine pragmatische Lösung und lebensnahe
Betrachtung notwendig.
Auch KRin Maria Wirnitzer bedankt sich für
das Engagement des Landratsamtes. Der Rechtsanspruch der ukrainischen
Flüchtlingskinder auf einen Betreuungsplatz ab 01.09.2022 stelle eine enorme
Herausforderung dar, allein in Vaterstetten seien es 28 Kinder. Die
vorliegenden Brückenangebote seien nicht ausreichend, damit könnten die Eltern
die Betreuungszeiten nicht abdecken und einer Tätigkeit nachgehen. Eine
Erweiterung bestehender Gruppen käme aufgrund der ohnehin überlasteten
Betreuungssituation nicht in Frage. Vielmehr müsse, wie der Landrat auch ausgeführt
habe, versucht werden pädagogische Fachkräfte aus der Ukraine schnellstmöglich
zu vermitteln. Dahingehend bittet sie diesen Lösungsansatz weiter zu forcieren
und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Christian Salberg spricht sich ebenso für
eine pragmatische Lösung der Betreuungsproblematik aus. Die Verwaltung sei an
die Vorgaben des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans (BayBEP) gebunden,
dessen Zielsetzungen und geschaffene Standards durch das Bayerische
Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales nur ungern aufgehoben
würden. Diesbezüglich sei man jedoch mit dem Ministerium im Austausch. Seitens
der Verwaltung werde aktuell versucht das ukrainische Fachpersonal auf das
Sprachniveau zwei zu heben, was den Vorgaben des Ministeriums entspreche. Zudem
werde fortwährend nach weiteren Lösungsansätzen gesucht. Hierzu werde in der
kommenden Woche auch ein Gespräch mit Leonhard Spitzauer, Bürgermeister der
Gemeinde Vaterstetten, stattfinden.
Sie erkenne das große Engagement der
Verwaltung und sehe auch die Kapazitätsgrenzen, so KRin Ottilie Eberl. Derzeit
befinde man sich in einer schwierigen Zeit; günstige Wohnungen für ukrainische
Geflüchtete seien schwer zu finden und es erfordere gute Kenntnisse über die
bürokratischen Vorgaben. Persönlich sei sie sehr dankbar über das Angebot des
Landratsamtes sich derartiger Fragestellungen anzunehmen. Bezüglich des
Betreuungspersonals durch ukrainische Fachkräfte erkundigt sie sich nach der
Möglichkeit diese unbürokratisch nach dessen Interesse anzufragen. Ihres Wissens
bestehe bei der Betreuung von Kindern bei einer (privat organisierten)
Kindertagespflegeperson keine gesetzlich vorgeschriebene Anforderung einer
sozialpädagogischen Qualifikation.
Das Kreisjugendamt habe bereits aktiv einen
großen Personenkreis nach bestehendem Interesse einer Tätigkeit im Bereich der
Kindertagesbetreuung angefragt, so Florian Robida. Die
Kindertagesstättenaufsicht sei Teil der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde
des Landratsamtes, sodass man hier als verlängerter Arm der Staatsregierung
tätig werde. Mit letztem Ministerialschreiben des Bayerischen
Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales habe dieses für die
Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung gewisse Deutschkenntnisse vorausgesetzt,
sodass seitens der Verwaltung keinerlei Ermessenspielraum bestehe. Ein gewisses
Maß an Deutscherwerb sei auch im Interesse der Kinder, obgleich die
Sprachkenntnisse auch über externe Quellen (z. B. Sportverein) erworben werden
könnten.
KRin Antonia Schüller erkundigt sich nach
langfristigen Lösungsansätzen. Das Personal habe bereits vor dem Angriffskrieg
gegen die Ukraine gefehlt. Dabei sei ihr bewusst, dass die Zuständigkeit hier
nicht allein beim Landratsamt liege.
Nach Ansicht von Christian Salberg seien
die enormen Personalengpässe nicht so schnell zu lösen. In dieser Berufsbranche
bestehe teilweise das Problem unzureichender Wertschätzung und mangelnder
Bezahlung. Der ab 2026 bestehende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im
Grundschulbereich führe zu weiteren personellen Schwierigkeit. Auch sei das
Personal durch Corona erheblich belastet gewesen. In dieser Zeit habe häufig
eine berufliche Neuorientierung des Betreuungspersonals stattgefunden.
Beispielsweise blieben in Markt Schwaben manche Gruppen in Kindertageseinrichtungen
geschlossen aufgrund von Personalmangel. Eine gute pädagogische Betreuung sei
mit dem aktuellen und zukünftig ausgebildeten Personal nicht zu gewährleisten.
Ursache für den Personalmangel im
pädagogischen Bereich sei nicht unbedingt die Bezahlung, so Ulrike Bittner
(beschließendes Mitglied). Der Durchschnittsverdienst einer Erzieherin liege
bei 3.400 € brutto. Vielmehr sehe sie die Schwierigkeiten im Mangel an
Schulplätzen. Sie habe mit Stand Ende Mai die Daten aller Kinderpflegeschulen
im Großraum München erhoben. Hier wäre eine Eröffnung von 7,5 Schulklassen
(entspricht ca. 240 Schüler) möglich, was mangels vorliegender Plätze nicht
realisierbar sei. Ähnlich verhalte es sich bei den Erziehern mit 4
Schulklassen. Dabei haben die Verbände gegenüber der Politik stets gefordert in
die Ausbildung zu investieren. Die Träger seien bereit pädagogisches
Fachpersonal auszubilden. Dies sei aber nicht möglich, wenn es an Schulplätzen
mangele.
Der
Landrat merkt an, dass damit der geplante Start der Fachakademie für
Sozialpädagogik sowie der Berufsfachschule für Kinderpflege im kommenden Jahr
umso wertvoller sei.
Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Situationsbericht zur Kindertagesbetreuung ukrainischer Kinder im Landkreis Ebersberg zur Kenntnis.