Sitzung: 30.03.2023 Jugendhilfeausschuss
Vorlage: 2023/0938
dieSachvortragende(r): |
Christian Salberg, Leiter der Abteilung 6, Jugend, Familie und
Demografie Karolina Pfont, Jugendhilfeplanerin SG 61, Kreisjugendamt |
Christian Salberg und Karolina
Pfont, Jugendhilfeplanerin, halten einen Sachvortrag anhand einer Präsentation
(Anlage 4 zum Protokoll).
Beschließendes Mitglied
Schwester Christophora Eckl betont die Brisanz dieser Thematik, der
Fachkräftemangel habe sich inzwischen zu einem Arbeitskräftemangel ausgeweitet.
Dies befeuere ebenso den Konkurrenzkampf zwischen den Trägern. Neben dem stetig
steigenden Bedarf an Ganztagsbetreuungsplätzen und den damit verbundenen
Herausforderungen, sei ebenso ein Anstieg an Schulbegleitungen festzustellen.
Grundsätzlich müsse dieses Berufsfeld mehr Wertschätzung in der Öffentlichkeit
erfahren und dies nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern ebenso
hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Für die Zukunft sei es wichtig neue,
innovative Wege einzuschlagen.
Der Fokus müsse zukünftig
verstärkt im Bereich der Vernetzung liegen, so beratendes Mitglied Philipp
Spiegelsberger. Die stetig wachsenden Herausforderungen könne man nur gemeinsam
bewerkstelligen, hierfür sei ein enger Austausch aller Träger erforderlich.
Dahingehend appelliere er an weniger Konkurrenzkampf und mehr Kooperation.
Florian Robida erläutert, dass
ein Austausch aller darin interessierten Akteure geplant, aufgrund des erst
kürzlich eingeführten Rechtsanspruches auf eine Ganztagesbetreuung im
Grundschulbereich jedoch noch nicht erfolgt sei. Die Problematik des Fachkräftemangels
treffe alle, insbesondere müsse auch bei der Bundes- und Landesregierung das
Bewusstsein geschaffen werden, welche enormen Anstrengungen die Erfüllung des
Rechtsanspruches den Landkreisen, Kommunen und Trägern abverlange.
Nach Ansicht von KRin Bianka
Poschenrieder bestehe die Problematik bereits jetzt und nicht erst mit der
Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Grundschulkinder ab
2026. Entsprechend der Zahlen nach dem Hildesheimer Bevölkerungsmodell könne
eine verlässliche Aussage über die künftige Entwicklung und Zusammensetzung der
Bevölkerung im Landkreis getroffen werden. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse
würde der Landkreis und seine Kommunen bereits jetzt in die Ausweitung von
Betreuungsangeboten investieren, dennoch sei man häufig nicht in der Lage den
Eltern entsprechende Plätze anzubieten mangels Personal. Persönlich wisse sie
keinen Rat mehr, wie die Situation noch verbessert werden könnte.
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt
könne nicht jeder Betreuungsplatz belegt werden aufgrund des bestehenden
Personalmangels, so beschließendes Mitglied Ulrike Bittner. Die
Arbeitsbedingungen für das bestehende Personal seien teilweise verheerend und
von Krankheit und Ausfällen geprägt. Die Folge sei, dass die Fachkraft eine
Gruppe über einen längeren Zeitraum alleine betreuen und, nach Rückkehr der
Kollegin, selbst in den Krankenstand gehen müsse. Die einzig wirksame Maßnahme
dieser Problematik entgegenzutreten, sei mit vorübergehenden Schließzeiten zu
reagieren. Die Erfüllung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz im
Grundschulalter stelle eine enorme Herausforderung dar. Für die in diesem
Bereich erforderlichen Betreuungszeiten (12:00 bis 18:00 Uhr) sei es schwierig
entsprechendes Personal zu finden, für Teilzeitkräfte sei diese Zeit gar nicht
realisierbar. Auch das Erfordernis weniger Schließtage sei äußerst
problematisch. Viele Fachkräfte würden die Mittagsbetreuung nur übernehmen,
weil sie in den Ferienzeiten frei hätten; weniger Schließtage würden einen
Weggang der Kräfte begünstigen. Zudem ergebe sich für den Landkreis die Gefahr
möglicher Klagen des Rechts auf einen Betreuungsplatz durch betroffene Eltern.
Beschließendes Mitglied Dr.
Gertrud Hanslmeier-Prockl informiert aus ihrer Sicht als Gesamtleitung des
Einrichtungsverbundes Steinhöring über den vorliegenden Fachkräftemangel.
Regional seien massive Anstrengungen vorzunehmen junge Menschen für dieses
Berufsbild zu gewinnen, insbesondere seien auch finanzielle Anreize zu
schaffen. Es gäbe zwar viele interessierte Jugendliche, jedoch müsse mit dem
Ausbildungsgehalt auch der Lebensunterhalt finanziert werden können. Die im
Rahmen der Errichtung einer sozialen Einrichtung durchgeführten Risikoanalyse
habe sich zu früheren Zeiten mit baulichen Voraussetzungen beschäftigt, nun
stehe die Gewinnung von Fachkräften im Vordergrund. Dabei sei insbesondere das
regionale Angebot von Schulen wichtig. Der Landkreis und seine Kommunen müsse
sich die Frage stellen, welche Anreize und Optimierungen zur Erhöhung der
Ausbildungsquote getroffen werden könnten.
Beratendes Mitglied Sigrid
Binder berichtet über die sehr wohl bestehende Konkurrenz der unterschiedlichen
Einrichtungen, dies sei allein der Natur der Sache geschuldet. Ausschlaggebend
für die Wahl der Arbeitsstätte seien, aus Sicht der Fachkräfte, die Bezahlung
und die Arbeitsbedingungen – seien die Bedingungen anderorts lukrativer so
würde eine Abwanderung der Fachkraft erfolgen. Betrachte man die Bedürfnisse
der Eltern so gewinne das Konzept der offenen Ganztagsschule zunehmend an Attraktivität,
diese sprechen sich mehr für Flexibilität als für starre Strukturen aus. Völlig
ungelöst sei die „Ferienfrage“. Ein enger Austausch des Landkreises, der
Gemeinden sowie der Träger und Schulen sei äußerst wichtig. Persönlich sei sie
zuversichtlich, dass die Thematik gemeinschaftlich gelöst werden könne,
irgendwie habe es immer funktioniert.
Das Thema Kinderbetreuung sei
eine gesellschaftliche Aufgabe, die erfüllt werden müsse, so beschließendes
Mitglied Winfried Rohrbach. Etwaige Schuldzuweisungen seien nicht zielführend.
Beratendes Mitglied Ruth
Kaufmann erkundigt sich nach der Möglichkeit ausländische Fachkräfte zur
Erfüllung des Ganztagsanspruchs einzusetzen. Dabei berichtet sie von einem Fall
aus der Praxis, wonach eine Lehrerin aus Albanien lediglich die
Mittagsbetreuung übernehmen dürfe, als Lehrkraft sei ihr eine Tätigkeit
verwehrt.
Bei der Wahl des Fachpersonals
habe sich der Landkreis an die Vorgaben der bayerischen Berufeliste zu halten,
so Florian Robida. Der Beruf des Lehrers sei ein reglementierter Beruf, dessen
Tätigkeit rechtlich geschützt sei. Für diese Berufe seien neben einer
bestimmten Qualifikation weitere Voraussetzungen für die Berufszulassung
notwendig.
Beschließendes Mitglied Franz
Frey äußert sich differenziert zur Einführung des Rechtsanspruchs auf eine
Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich, es würden sicherlich Lösungen gefunden
werden. Als negativ habe er vielmehr empfunden, dass die Kinder während der
Corona-Pandemie isoliert worden seien, was sich – insbesondere unter
Betrachtung psychischer und sozialer Auswirkungen – als Fehler dargestellt
habe. Nun seien die Kinder ganztägig zu betreuen, damit die Eltern sich ein
Eigenheim erwirtschaften könnten. So würde die Gesellschaft der Verantwortung
der Kinder gegenüber nicht gerecht werden. Dem bestehenden Fachkräftemangel mit
einer Änderung des § 16 Abs. 6 AVBayKiBiG (Verordnung zur Ausführung des
Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetzes) entgegenzuwirken, stehe er
äußerst skeptisch gegenüber. Sodann erkundigt er sich nach den
Betreuungsangeboten für die Kinder im Grundschulbereich, speziell die Angebote
der Kinder- und Jugendhilfe nach dem BayKiBiG sowie die schulischen Angebote
(offene und gebundene Ganztagsschule, Mittagsbetreuung,
Kooperationseinrichtungen) des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht
und Kultus. Interessant sei hier insbesondere, inwiefern sich das Ministerium
bereits über die konkurrierenden Systeme geäußert habe. Sodann regt er die
Durchführung eines Fachtags für Ganztagsschulen an, hier könne ein Austausch
mit anderen Kommunen sowie unterschiedlichen Trägern erfolgen.
Florian Robida informiert,
dass die Betreuungsmöglichkeiten im Staatsministerium rege diskutiert werden
würden, zur Klärung offener Fragen würden die oberbayerischen Jugendämter
derzeit eine Kontaktaufnahme mit dem Ministerium versuchen. Interessant und ungeklärt
seien insbesondere Abgrenzungs- und Finanzierungsfragen der beiden Angebote,
die offenen Fragen würden die Planung unglaublich erschweren. Die Abhaltung
eines Fachtags erachte er als gute Anregung und befürworte dies.
Sinnvollerweise sei dieser jedoch erst nach verlässlichen Aussagen des
Staatsministeriums hinsichtlich der beiden Betreuungssysteme zu realisieren.
Grundsätzlich sei ein derartiger Austausch jedoch vorstellbar.
Der
Jugendhilfeausschuss nimmt die Änderungen des Kinder- und
Jugendstärkungsgesetzes zur Umsetzung des Ganztagsanspruches ab 01.08.2026 zur
Kenntnis.