dieSachvortragende(r):

Christian Salberg, Leiter der Abteilung 6, Jugend, Familie und Demografie

Karolina Pfont, Jugendhilfeplanerin SG 61, Kreisjugendamt

Christian Salberg und Karolina Pfont, Jugendhilfeplanerin, halten einen Sachvortrag anhand einer Präsentation (Anlage 4 zum Protokoll).

Beschließendes Mitglied Schwester Christophora Eckl betont die Brisanz dieser Thematik, der Fachkräftemangel habe sich inzwischen zu einem Arbeitskräftemangel ausgeweitet. Dies befeuere ebenso den Konkurrenzkampf zwischen den Trägern. Neben dem stetig steigenden Bedarf an Ganztagsbetreuungsplätzen und den damit verbundenen Herausforderungen, sei ebenso ein Anstieg an Schulbegleitungen festzustellen. Grundsätzlich müsse dieses Berufsfeld mehr Wertschätzung in der Öffentlichkeit erfahren und dies nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern ebenso hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Für die Zukunft sei es wichtig neue, innovative Wege einzuschlagen.

Der Fokus müsse zukünftig verstärkt im Bereich der Vernetzung liegen, so beratendes Mitglied Philipp Spiegelsberger. Die stetig wachsenden Herausforderungen könne man nur gemeinsam bewerkstelligen, hierfür sei ein enger Austausch aller Träger erforderlich. Dahingehend appelliere er an weniger Konkurrenzkampf und mehr Kooperation.

Florian Robida erläutert, dass ein Austausch aller darin interessierten Akteure geplant, aufgrund des erst kürzlich eingeführten Rechtsanspruches auf eine Ganztagesbetreuung im Grundschulbereich jedoch noch nicht erfolgt sei. Die Problematik des Fachkräftemangels treffe alle, insbesondere müsse auch bei der Bundes- und Landesregierung das Bewusstsein geschaffen werden, welche enormen Anstrengungen die Erfüllung des Rechtsanspruches den Landkreisen, Kommunen und Trägern abverlange.

Nach Ansicht von KRin Bianka Poschenrieder bestehe die Problematik bereits jetzt und nicht erst mit der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Grundschulkinder ab 2026. Entsprechend der Zahlen nach dem Hildesheimer Bevölkerungsmodell könne eine verlässliche Aussage über die künftige Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung im Landkreis getroffen werden. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse würde der Landkreis und seine Kommunen bereits jetzt in die Ausweitung von Betreuungsangeboten investieren, dennoch sei man häufig nicht in der Lage den Eltern entsprechende Plätze anzubieten mangels Personal. Persönlich wisse sie keinen Rat mehr, wie die Situation noch verbessert werden könnte.

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt könne nicht jeder Betreuungsplatz belegt werden aufgrund des bestehenden Personalmangels, so beschließendes Mitglied Ulrike Bittner. Die Arbeitsbedingungen für das bestehende Personal seien teilweise verheerend und von Krankheit und Ausfällen geprägt. Die Folge sei, dass die Fachkraft eine Gruppe über einen längeren Zeitraum alleine betreuen und, nach Rückkehr der Kollegin, selbst in den Krankenstand gehen müsse. Die einzig wirksame Maßnahme dieser Problematik entgegenzutreten, sei mit vorübergehenden Schließzeiten zu reagieren. Die Erfüllung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz im Grundschulalter stelle eine enorme Herausforderung dar. Für die in diesem Bereich erforderlichen Betreuungszeiten (12:00 bis 18:00 Uhr) sei es schwierig entsprechendes Personal zu finden, für Teilzeitkräfte sei diese Zeit gar nicht realisierbar. Auch das Erfordernis weniger Schließtage sei äußerst problematisch. Viele Fachkräfte würden die Mittagsbetreuung nur übernehmen, weil sie in den Ferienzeiten frei hätten; weniger Schließtage würden einen Weggang der Kräfte begünstigen. Zudem ergebe sich für den Landkreis die Gefahr möglicher Klagen des Rechts auf einen Betreuungsplatz durch betroffene Eltern.

Beschließendes Mitglied Dr. Gertrud Hanslmeier-Prockl informiert aus ihrer Sicht als Gesamtleitung des Einrichtungsverbundes Steinhöring über den vorliegenden Fachkräftemangel. Regional seien massive Anstrengungen vorzunehmen junge Menschen für dieses Berufsbild zu gewinnen, insbesondere seien auch finanzielle Anreize zu schaffen. Es gäbe zwar viele interessierte Jugendliche, jedoch müsse mit dem Ausbildungsgehalt auch der Lebensunterhalt finanziert werden können. Die im Rahmen der Errichtung einer sozialen Einrichtung durchgeführten Risikoanalyse habe sich zu früheren Zeiten mit baulichen Voraussetzungen beschäftigt, nun stehe die Gewinnung von Fachkräften im Vordergrund. Dabei sei insbesondere das regionale Angebot von Schulen wichtig. Der Landkreis und seine Kommunen müsse sich die Frage stellen, welche Anreize und Optimierungen zur Erhöhung der Ausbildungsquote getroffen werden könnten.

Beratendes Mitglied Sigrid Binder berichtet über die sehr wohl bestehende Konkurrenz der unterschiedlichen Einrichtungen, dies sei allein der Natur der Sache geschuldet. Ausschlaggebend für die Wahl der Arbeitsstätte seien, aus Sicht der Fachkräfte, die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen – seien die Bedingungen anderorts lukrativer so würde eine Abwanderung der Fachkraft erfolgen. Betrachte man die Bedürfnisse der Eltern so gewinne das Konzept der offenen Ganztagsschule zunehmend an Attraktivität, diese sprechen sich mehr für Flexibilität als für starre Strukturen aus. Völlig ungelöst sei die „Ferienfrage“. Ein enger Austausch des Landkreises, der Gemeinden sowie der Träger und Schulen sei äußerst wichtig. Persönlich sei sie zuversichtlich, dass die Thematik gemeinschaftlich gelöst werden könne, irgendwie habe es immer funktioniert.

Das Thema Kinderbetreuung sei eine gesellschaftliche Aufgabe, die erfüllt werden müsse, so beschließendes Mitglied Winfried Rohrbach. Etwaige Schuldzuweisungen seien nicht zielführend.

Beratendes Mitglied Ruth Kaufmann erkundigt sich nach der Möglichkeit ausländische Fachkräfte zur Erfüllung des Ganztagsanspruchs einzusetzen. Dabei berichtet sie von einem Fall aus der Praxis, wonach eine Lehrerin aus Albanien lediglich die Mittagsbetreuung übernehmen dürfe, als Lehrkraft sei ihr eine Tätigkeit verwehrt.

Bei der Wahl des Fachpersonals habe sich der Landkreis an die Vorgaben der bayerischen Berufeliste zu halten, so Florian Robida. Der Beruf des Lehrers sei ein reglementierter Beruf, dessen Tätigkeit rechtlich geschützt sei. Für diese Berufe seien neben einer bestimmten Qualifikation weitere Voraussetzungen für die Berufszulassung notwendig.

Beschließendes Mitglied Franz Frey äußert sich differenziert zur Einführung des Rechtsanspruchs auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich, es würden sicherlich Lösungen gefunden werden. Als negativ habe er vielmehr empfunden, dass die Kinder während der Corona-Pandemie isoliert worden seien, was sich – insbesondere unter Betrachtung psychischer und sozialer Auswirkungen – als Fehler dargestellt habe. Nun seien die Kinder ganztägig zu betreuen, damit die Eltern sich ein Eigenheim erwirtschaften könnten. So würde die Gesellschaft der Verantwortung der Kinder gegenüber nicht gerecht werden. Dem bestehenden Fachkräftemangel mit einer Änderung des § 16 Abs. 6 AVBayKiBiG (Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetzes) entgegenzuwirken, stehe er äußerst skeptisch gegenüber. Sodann erkundigt er sich nach den Betreuungsangeboten für die Kinder im Grundschulbereich, speziell die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe nach dem BayKiBiG sowie die schulischen Angebote (offene und gebundene Ganztagsschule, Mittagsbetreuung, Kooperationseinrichtungen) des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Interessant sei hier insbesondere, inwiefern sich das Ministerium bereits über die konkurrierenden Systeme geäußert habe. Sodann regt er die Durchführung eines Fachtags für Ganztagsschulen an, hier könne ein Austausch mit anderen Kommunen sowie unterschiedlichen Trägern erfolgen.

Florian Robida informiert, dass die Betreuungsmöglichkeiten im Staatsministerium rege diskutiert werden würden, zur Klärung offener Fragen würden die oberbayerischen Jugendämter derzeit eine Kontaktaufnahme mit dem Ministerium versuchen. Interessant und ungeklärt seien insbesondere Abgrenzungs- und Finanzierungsfragen der beiden Angebote, die offenen Fragen würden die Planung unglaublich erschweren. Die Abhaltung eines Fachtags erachte er als gute Anregung und befürworte dies. Sinnvollerweise sei dieser jedoch erst nach verlässlichen Aussagen des Staatsministeriums hinsichtlich der beiden Betreuungssysteme zu realisieren. Grundsätzlich sei ein derartiger Austausch jedoch vorstellbar.


Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Änderungen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes zur Umsetzung des Ganztagsanspruches ab 01.08.2026 zur Kenntnis.