Vorberatung        

ULV-Ausschuss am 19.07.2023, TOP 6ö

Sachvortragende(r):

Dr. Markus Henle, Geschäftsführer EBERwerk GmbH & Co. KG,

Dr. Lisa Ruetgers, Klimaschutzmanagerin des Landkreises Ebersberg

a) Das Stromnetz als Baustein der Energiewende; Status quo und Ausblick

Dr. Markus Henle, Geschäftsführer EBERwerk, hält einen Sachvortrag anhand einer Präsentation (Anlage 5 zum Protokoll).

KR Manfred Schmidt nimmt Bezug auf die im Sachvortrag aufgeführte Problematik der mangelnden Berücksichtigung des Platzbedarfs für Stromnetzinfrastruktur im Falle geplanter Siedlungserschließungen und Neubauvorhaben. Entsprechende Vorhaben seien durch den jeweiligen Gemeinderat zu beschließen. Persönlich sei er sich sicher, dass der Gemeinderat die Anregungen des EBERwerks in seiner Funktion als Träger öffentlicher Belange berücksichtige, wenn die Argumente transparent und begründet dargestellt würden.

KR Karl Schweisfurth erkundigt sich, inwieweit eine Verpflichtung der Netzbetreiber bestehe für die Betreibung von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen eine Leitung bis zu diesem Standort zur Verfügung zu stellen. Zudem sei er der Ansicht, dass der aus der Einspeisung erneuerbarer Energien entstehende Überschussstrom im Rahmen des Sachvortrags zu negativ dargestellt worden wäre. Dieser sei notwendig, um die großen Verbraucher mit Energie zu versorgen.

Dr. Markus Henle informiert über das Verfahren des technisch-wirtschaftlichen Netzverknüpfungspunktes, wonach dem Betreiber einer Windkraftanlage ein technisch möglicher Netzanschlusspunkt zugewiesen werde. Die Kosten für den Trassenweg vom Standort der Anlage bis zum Netzverknüpfungspunkt habe der Anlagenbetreiber zu tragen, die Netzanbindung vor Ort übernehme sodann der Netzbetreiber (Übergangsstation).

Auch KRin Franziska Hilger erachtet die Ausführungen des Sachvortragenden zum Überschussstrom als zu negativ, obgleich die aktuelle Marktsituation für die Netzbetreiber sicherlich schwierig sei. Sie erkundigt sich, inwieweit das EBERwerk aktiv auf die Gemeinden zugehe und in welchen Bereichen die Politik unterstützend Einfluss nehmen könne. Zudem bittet sie um Information über die Etablierung intelligenter Stromnetze („Smart-Grid“) als innovatives elektrisches Versorgungssystem.

Dr. Markus Henle berichtet, dass das EBERwerk durchaus aktiv auf die Gemeinden zugehe und diesen die technisch umsetzbaren Möglichkeiten vorstelle. Insbesondere im Falle einer notwendigen Errichtung von Umspannwerken sei eine vorausschauende Planung erforderlich, allein aufgrund der hierfür erforderlichen Flächensicherung. Die Installation der Smart-Grid-Systeme erfolge „geräuschlos“ mit der herkömmlichen Leitungsführung, sämtliche neue oder auszutauschende Leitungsstationen würden auf dieses System umgestellt werden.

KR Martin Lechner habe den Eindruck, dass die Energiewende am Netzausbau scheitere, hier bestehe seiner Ansicht nach erhebliches Verbesserungspotenzial im Landkreis. Beispielsweise müsse der Netzanschluss im Rahmen der geplanten Windenergieanlagen in Fürmoosen bei Moosach sowie der Freiflächenphotovoltaikanlage in Nettelkofen gewährleistet sein. Er erkundigt sich nach Möglichkeiten den Netzausbau zu beschleunigen.

Die Betreibung der Stromnetze unterliege klaren gesetzlichen Regelungen, das EBERwerk besitze lediglich begrenzten Handlungsspielraum, so Dr. Markus Henle. Die Möglichkeit des EBERwerks bestehe darin, gewissen Einfluss auf die Investitionen im EBERnetz zu nehmen sowie bestimmte Projekte zur Priorisierung im Bayernwerk vorzuschlagen. Die vorgegebenen Regularien der Bundesnetzagentur seien dabei stets einzuhalten.

KR Niklas Fent berichtet über das am 16.08.2023 beschlossene Solarpaket, wonach ein Anschlussrecht an das Stromnetz bei Erneuerbaren-Energie-Anlagen bestehe. Er erkundigt sich, inwieweit dies Einfluss auf die Arbeit des EBERwerks habe.

Dr. Markus Henle erläutert, dass ein derartiges Anschlussrecht stets bestanden habe, durch das Solarpaket seien lediglich verfahrenstechnische Erleichterungen geschaffen worden.

Persönlich habe er den Eindruck, dass die Thematik der Energiewende an Geschwindigkeit aufgenommen habe, der Netzausbau könne hier aktuell nicht Schritt halten, so KR Thomas von Sarnowski. Er sei jedoch überzeugt, dass dieser zeitnah folgen werde.

KRin Bianka Poschenrieder informiert über die unzureichende Bereitstellung von Netzanschlusspunkten als Hemmnis des Netzausbaus. Sie bittet um Information, inwieweit das EBERwerk hier eine beschleunigende Wirkung aufweisen könne.

Dr. Markus Henle berichtet, dass das EBERwerk hierauf bedauerlicherweise kaum Einflussmöglichkeiten habe, es fehle schlichtweg an Ressourcen.

Der ULV-Ausschuss nimmt den Sachstandsbericht des EBERwerks zur Kenntnis.

b) Meilensteinplanung und Klimaziel

Dr. Lisa Ruetgers, Klimaschutzmanagerin, hält einen Sachvortrag anhand einer Präsentation (Anlage 6 zum Protokoll).

Der Landrat bedankt sich bei der Klimaschutzmanagerin für den Impuls der Neudefinition des Klimaziels. Das einst gesetzte Ziel, frei von fossilen Energieträgern bis zum Jahr 2030 zu sein, sei in dieser Form nicht mehr realisierbar. Dennoch habe der Landkreis auf diesem Weg durchaus Erfolge zu verzeichnen (z. B. Zertifizierung mit dem European Energy Award). Neben den Anstrengungen des Landkreises seien auch die Gemeinden, Bürgerinnen und Bürger sowie die Betriebe gefragt, nur gemeinsam seien gesetzte Ziele zu realisieren. Der Meilensteinplan des Landkreises müsse mit aller Kraft vorangetrieben werden, gemeinsame Ziele und Projekte seien umzusetzen. Dabei bestehe leider die Problematik, dass insbesondere kleinere Gemeinden die Maßnahmen häufig, mangels Personal und finanziellen Mitteln, nicht realisieren könnten. Auch aus diesem Grund dürfe das einst gesetzte Klimaziel nicht wie eine Monstranz getragen werden, persönlich könne er dieses nicht mehr in der Öffentlichkeit kommunizieren. Ein ehrlicher Umgang mit den Klimazielen erfordere es die Zielformulierung bis zum Jahr 2040 klar und transparent zu formulieren. Nach der Vorberatung im Ausschuss erfolge die weitere Beratung sodann im Kreis- und Strategieausschuss sowie im Kreistag.

KR Manfred Schmidt führt aus, dass er den Nummern 2 bis 4 des Beschlussvorschlages nicht zustimmen werde, eine unmittelbare Wirkung für die Klimaverbesserung sei hier nicht ersichtlich.

Nach Ansicht von KR Thomas von Sarnowski bestehe bei einer Neudefinition des Klimaziels bis zum Jahr 2040 die Gefahr der stetigen Verlagerung der Maßnahmenumsetzung in die Zukunft. Dies habe auch die Vergangenheit gezeigt, die Umsetzung der im Jahr 2006 gesetzten Ziele bis zum Jahr 2023 sei nur schwerfällig erfolgt. Dies habe zur Konsequenz, dass die Zielsetzung bis 2030 nicht erreicht werden könne. Persönlich schlage er daher vor, die neudefinierten Klimaziele nicht auf das Jahr 2040 festzulegen, charmanter sei die Formulierung „Klimaneutral 2030 Plus“. Damit bestehe die symbolische Zielmarke weiterhin und im Jahr 2030 könne über den aktuellen Stand auf dem Weg zur Erreichung des Klimaziels reflektiert werden.

KRin Bianka Poschenrieder erachtet den Vorschlag der Klimaschutzmanagerin, den Gemeinden Maßnahmen zur Schließung der in 2030 bestehenden Lücke zur CO2-Neutralität sowie zur Klimaneutralität zu empfehlen, als immanent wichtig. Die Gemeinden seien sehr engagiert. Eine Unterstützung durch das Klimaschutzmanagement sei dennoch hilfreich, da insbesondere kleinere Gemeinden keinen eigenen Manager hätten. Grundsätzlich müsse der Druck zur Erreichung der Netto-Null-Emissionen erhöht werden. Auch schlage sie vor, die ursprüngliche Zielformulierung bis zum Jahr 2030 „frei von fossilen und endlichen Energieträgern“ zu sein, beizubehalten. Der Begriff „Klimaneutralität“ entspreche dieser Definition nicht vollends. Eine zeitliche Festlegung auf das Jahr 2040 erachte sie als nicht zielführend. Grundsätzlich könne sie dem, durch die Klimaschutzmanagerin überarbeiteten, Beschlussvorschlag zustimmen.

KR Martin Lechner plädiert für einen ehrlichen Umgang mit den eigens gesetzten Klimazielen, die Umsetzung bis zum Jahr 2030 sei nicht mehr realistisch und müsse entsprechend überarbeitet werden. Persönlich erachte er jedoch das Ziel, bis zum Jahr 2040 zu 100 Prozent frei von fossilen und endlichen Energieträgern zu sein, als nicht umsetzbar, sicherlich werde es auch zu diesem Zeitpunkt noch Dieselfahrzeuge geben. Er erkundigt sich, inwieweit der Landkreis und seine Verwaltung selbst bereits klimaneutral seien.

Dr. Lisa Ruetgers vermutet eine nahezu vollständige Abdeckung des Strombedarfs des Landkreises durch erneuerbare Energien, im Bereich der Wärme rechne sie mit einem geringeren prozentualen Anteil. Die konkreten Zahlen seien ihr jedoch augenblicklich nicht präsent. Ebenso wie KR Martin Lechner rechne sie nicht mit einer Netto-Null-Emission, die bestehenden Lücken könnten jedoch durch Zukunftszertifikate ausgeglichen werden.

KR Leonhard Spitzauer schlägt eine erneute Beratung in der kommenden Sitzung am 20.02.2024 vor, dem derzeitigen Beschlussvorschlag könne er so nicht zustimmen. Es ergebe sich der Eindruck einer Aufblähung des Klimaschutzmanagements, was sich sodann negativ auf die Kreisumlage auswirken würde. Gerade die finanziellen Mittel der Gemeinden seien jedoch unentbehrlich für die Umsetzung der lokalen Klimaschutzmaßnahmen, die Gemeinde Vaterstetten investiere derzeit einen beachtlichen Betrag in die Geothermie sowie den Ausbau der Wärmenetze und sei finanziell am Limit. Ebenso erforderlich sei die Einbindung der Bürger sowie der Unternehmen vor Ort, hier gebe es bereits erste Ansätze.

KR Josef Oswald zitiert aus dem Bericht zur Treibhausgasbilanz 2022 wonach die Emissionen im Landkreis von 2012 bis 2020 um 23 Prozent pro Bürger zurückgegangen seien. Betrachte man die Aufteilung der Treibhausgasemissionen sei lediglich 1 Prozent dem kommunalen Bereich zuzuordnen, der Bereich Verkehr betrage 40 Prozent, 33 Prozent der gewerbliche und 26 Prozent der private Bereich. Hierüber hätten die Gemeinden keinerlei Einflussmöglichkeit. Vielmehr müsse der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schaffen, andernfalls könnten die durch den Landkreis definierten Klimaziele nicht erreicht werden.

KR Niklas Fent spricht sich für die Erarbeitung eines konkreten Beschlussvorschlags in der heutigen Sitzung aus, die Zeit dürfe nicht noch weiter verstreichen. Wichtig sei es Klarheit zu schaffen und realistische Ziele zu setzen, obgleich er ebenso große Bedenken habe das einst gesetzte Klimaziel aufzugeben. Er bittet bei der Neudefinition sowohl die Einbeziehung der Gemeinden (Meilensteinplan) als auch die Liegenschaften zu berücksichtigen. Zudem müsse die CO2-Vermeidung im Fokus stehen, ein Ausgleich über die Zukunftszertifikate dürfe nur erfolgen, wenn dies aus technischen Gründen unvermeidbar sei.

Der Landrat erläutert, dass eine Beschlussfassung des Kreistags in der kommenden Sitzung am 18.12.2023 ohnehin nicht erfolgen könne, diese sei vollkommen dem Haushalt gewidmet. Eine Neudefinition der Klimaziele bedürfe zudem äußerste Sorgfalt und Genauigkeit, der Beschlussvorschlag werde im Rahmen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe erarbeitet und, nach Vorberatung in den entsprechenden Gremien, dem Kreistag zur finalen Beschlussfassung am 13.05.2024 vorgelegt. Ein breiter Konsens innerhalb des Gremiums sei wünschenswert, um das neujustierte Klimaziel gemeinsam vertreten zu können.

KR Karl Schweisfurth plädiert für die grundsätzliche Beibehaltung des Klimaziels 2030, auf dessen Grundlage sei sodann der tatsächliche Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2030 an Strom, Wärme sowie Verkehr zu eruieren. Damit könne festgestellt werden, wie weit der Landkreis vom gesetzten Ziel entfernt ist. Eine zeitliche Verschiebung des Klimaziels auf das Jahr 2040 erachte er als nicht sinnvoll.

KR Martin Lechner nimmt Bezug auf die Termine der Klimaschutzmanagerin mit den Gemeinden, in denen mit Hilfe des Meilensteinplan-Tools und des Energienutzungsplans Szenarien für die Jahre 2030 und/oder 2040 bzw. 2035 definiert wurden. Er schlägt vor, die Abfrage zu nutzen und eine Bewertung der Daten durchzuführen. Anhand dieser sei es leichter für den Landkreis entsprechende Ziele zu definieren. Möglicherweise seien die Ziele auch etappenweise festzulegen, um daraus weitere Schritte und Maßnahmen einzuleiten. Kriterien hierfür seien die Art und Weise der Umsetzbarkeit sowie die zeitliche Komponente.

Nach Ansicht von KR Leonhard Spitzauer sei eine spätere Beschlussfassung durch den Kreistag in der Sitzung am 13.05.2024 unbedenklich, bis dahin gelte ohnehin das strengere Klimaziel.

KR Niklas Fent erläutert, dass mit der Neudefinition des Klimaziels auch ein Arbeitsauftrag an das Klimaschutzmanagement einhergehe, weshalb eine zeitnahe Beschlussfassung wünschenswert sei.

KRin Antonia Schüller zeigt sich enttäuscht über die späte Befassung des Kreistags, die Beschlusslage entspreche dem Stand vor einem halben Jahr.

KR Ludwig Maurer habe Bedenken, dass die Bürger die durch die Gemeinden definierten Klimaziele nicht mittragen, zur Überzeugung dieser würden die Bürgermeister deutlich mehr Input benötigen. Bis zur finalen Beschlussfassung im Mai seien weitergehende Informationen erforderlich.

KRin Bianka Poschenrieder erläutert, dass das grundsätzliche Klimaziel bereits bestehen würde, Ziel der interfraktionellen Arbeitsgruppe sei es lediglich einen Beschlussvorschlag mit breitem Konsens zu erarbeiten. Wünschenswert wäre, wenn möglichst alle Kreisräte zustimmen könnten, andernfalls vermittle dies ein uneinheitliches und damit negatives Bild in der Öffentlichkeit.

KR Karl Schweisfurth bittet bei der Neudefinition des Klimaziels um eine kurze und prägnante Betitelung, ebenso einfach formuliert wie das einst gefasste Ziel „Klimaneutral bis 2030“.

Die Neudefinition des Klimaziels wird im Rahmen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe erarbeitet und sodann erneut im Gremium beraten. Der Kreistag soll in seiner Sitzung am 13.05.2024 über die Neudefinition des Klimaziels beschließen.

 

Aufgrund eines unaufschiebbaren Anschlusstermins des Landrats übernimmt die Kreisrätin und weitere stellvertretende Landrätin Magdalena Föstl den Vorsitz.


Der ULV-Ausschuss nimmt den Sachstandsbericht des EBERwerks zur Kenntnis.

Die Neudefinition des Klimaziels wird im Rahmen einer interfraktionellen Arbeitsgruppe erarbeitet und sodann erneut im Gremium beraten. Der Kreistag soll in seiner Sitzung am 13.05.2024 über die Neudefinition des Klimaziels beschließen.