Beschluss: angenommen

Abstimmung: Nein: 1

An der Beratung nehmen teil:

Christian Salberg, Leiter Sachgebiet S3 – Kreisjugendamt

Stefanie Geisler, Leiterin Abteilung S – Soziales, Bildung

 

Der Landrat eröffnet die Sitzung erneut um 14:00 Uhr und erwähnt, dass das Projekt kurzfristig eingebracht worden sei, so dass keine Vorberatung in den Fachausschüssen mehr stattfinden habe können. Er erteilt Herrn Salberg das Wort.

 

Herr Salberg erläutert das angedachte Projekt mittels einer Präsentation (Anlage 7 zum Protokoll). Die Bundesagentur stelle sich vor, dass der Landkreis 1/3 der Kosten (= 250 € / Teilnehmer) des Projekts übernehme. Der Landrat habe sich angesichts der vielen bisherigen Leistungen jedoch klar für maximal 125 € / Teilnehmer ausgesprochen. Sollte der Landkreis das Projekt nicht mit Drittmitteln unterstützen, werde es wahrscheinlich keine Konzeption geben und das Projekt nicht mehr umsetzbar sein.

 

Der Landrat ergänzt nach der Präsentation, dass dies ein wichtiges Thema zur Integration der unbegleiteten Minderjährigen in das Berufsleben sei. Die Wirtschaftsverbände sprächen davon, dass die Asylbewerber auch ein wichtiges Potenzial für unsere Wirtschaft darstellen. Sie würden auch den Arbeitsmarkt bereichern können, da in vielen Bereichen keine Auszubildenden mehr zu finden seien. Auf der anderen Seite gäbe es aber auch Rückmeldungen, dass in Einzelfällen junge Menschen eine Ausbildung begonnen hätten aber sobald der theoretische Teil in der Schule angestanden hätte, die Ausbildung abrupt abgebrochen worden sei. Er teile die positive Einschätzung der Wirtschaft, dass alle gut integriert werden könnten nicht grenzenlos. Es werden zwar viele Arbeitskräfte vor allem bei kleineren Betrieben benötigt, leicht werde es aber nicht werden. Insofern sei das Projekt vom Grundsatz ein wichtiges Thema und fachlich sehr zu begrüßen. Der Landkreis würde mit diesem Vorschlag auch als Vorbild vorangehen und einen positiven Beitrag zur Integration leisten. Bisher gäbe es bundesweit noch keine Maßnahme in dieser Form. Der Landkreis gehe mit dem Projekt allerdings in eine neue freiwillige Leistung, so dass auch zu diskutieren sei, ob der hohe Kosteneinsatz für 18 Jugendliche gerechtfertigt und es auch Aufgabe des Landkreises sei, sich in diesem Maße finanziell zu engagieren. 

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Renate Will), dass dies ein sehr wegweisendes Model sei, es stelle sich jedoch die Frage, inwieweit die Kosten noch höher ausfallen könnten. Wenn der Landkreis das Geld für das Projekt in die Hand nähme, dann sei es sehr wichtig, dass die unbegleiteten Minderjährigen eine begonnene Ausbildung auch zu Ende brächten und im Anschluss in einem Betrieb hier integriert werden. Dann wäre dieses Projekt eine Leistung, die sich wirklich lohnen würde. Sollte ein Jugendlicher keine Aussicht auf Bleiberecht haben und nach der Ausbildung in sein Heimatland zurückkehren, dann wäre die Ausbildung auch ein Vorteil in Form von Hilfe für das Heimatland. Herr Salberg antwortet zur Kostenfrage, dass der Landrat ja zwischenzeitlich die maximal 125 € / Teilnehmer vorgegeben habe. Die Kosten könnten eigentlich nur bei zusätzlichen Teilnehmern höher werden. Grundsätzlich könnten auch Jugendliche nach § 58 Bundesaufenthaltsgesetz abgeschoben werden, allerdings werde die Bundesagentur dieses Projekt allein schon aus finanziellen Gründen nur unter der Prämisse fördern, dass die Teilnehmer mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bleiben dürfen.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Albert Hingerl), dass er die Maßnahme an sich als vorbildlich und zunächst einmalig verstanden habe und wenn die finanzielle Frage nicht wäre, es nur eine klare Entscheidung für den Landkreis gäbe. Für ihn sei die Grundsatzentscheidung heute, das Projekt mit dem Vorschlag von 18 Teilnehmern zu beginnen und nicht über zunächst und einmalig zu diskutieren. Das Projekt werde voraussichtlich nicht einmalig bleiben. Wichtig sei auch, dass ehrlich im Rahmen der gesamten Asylpolitik diskutiert werde und es wohl auch ein Thema ungerechtfertigter Kritik von außen sein könnte, da hier so viel Geld pro Person ausgegeben werde, jedoch der ein oder andere Zuschuss für die Bevölkerung nicht immer gewährt werden konnte. Eine Rückmeldung bis heute an die Bundesagentur sei nicht möglich. Die Maßnahme könne nur gemeinsam in den Fraktionen entschieden werden.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Martin Wagner), dass er diese Maßnahme insgesamt für dringend und generell notwendig sehe, sich aber die Frage stelle, wer das alles bezahle. Derzeit spreche man von 18 Teilnehmern aber es werden bestimmt mehr werden. Wenn der Landkreis nun freiwillig einsteige und sich das Projekt als erfolgreich erweise, steige der Druck weiterzumachen und dann kämen erhebliche Kosten auf den Landkreis zu und dann werde es definitiv auch kreisumlagenrelevant. Der Anstoß durch den Landkreis sei gut, wenn das Land und der Bund nachziehen würden. Auch er müsse die Maßnahme erst in den Fraktionen besprechen, da es eine weitreichende Entscheidung sei und nicht ausgeschlossen werde könne, dass es bei den geplanten 81.000 € bleibe. Es stelle sich auch die Frage inwieweit die Kosten nach dem SGB VIII noch steigen werden oder diese ersetzt werden. Herr Salberg dazu, dass die Kosten der Unterkunft vom Bund erstattet werden. Ob das Projekt einmalig bleibe sei eine berechtigte Frage. Für ihn sei entscheidend gewesen, dass die Bundesagentur großes Interesse gezeigt habe, mit dem Landkreis so ein Projekt durchzuführen und wenn das Wirkung zeige, wäre es eine Blaupause dafür, dass der Bund so eine Maßnahme gut bewältigen könnte. Integrationsleistung könne nicht ausschließlich Aufgabe der Kommunen sein. Es handle sich hier um den Versuch einer Möglichkeit aber wo das hinführe, könne er auch nicht absehen. Herr Wagner plädiert dafür, dass heute das Projekt wohlwollend zur Kenntnis genommen werde. Bei den 81.000 € einmalig sehe er kein Problem, alles Weitere darüber hinaus müsse jedoch in den Fraktionen besprochen werden.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Thomas Huber), dass er bei dem Termin mit der Bundesagentur dabei gewesen sei und die Bundesagentur von der Idee sehr angetan gewesen sei. Der Landkreis sei gegenüber anderen Landkreisen mit dem BBW und BFW sehr gut aufgestellt, um so ein Projekt umzusetzen. Wenn der Landkreis seinen Beitrag an dem Projekt nicht leiste, dann werde bundesweit ausgeschrieben und der Landkreis wäre raus. Dies bedeute auch, dass das BBW und das BFW als Ideengeber aus dem Rennen wären. Laut Bundesarbeitsministerin Nahles könnten nur 10 % Asylbewerber in den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden. Umso wichtiger sei es, sich bereits heute auf allen politischen Ebenen zu überlegen, was mit den anderen 90% passieren könnte. Dies bedürfe einer gewissen Eigeninitiative der Betroffenen aber auch kreative, regionale Maßnahmen sowie dieses Projekt. Es sei daher heute zu überlegen, ob der Landkreis mit den 125 € / Teilnehmer in Verhandlungen mit der Bundesagentur gehen dürfe, um dann das Ergebnis in den Fraktionen zu behandeln. Wenn an dieser Stelle erst auf eine Reaktion des Bundes gewartet werde, dann gelinge die Integration nie.

 

Herr Salberg ergänzt, wenn wir die Jugendlichen nicht fördern und in den Arbeitsmarkt integrieren können, dann würden diese ihr restliches Berufsleben in Hartz IV landen, was bei 18 Teilnehmern für den Landkreis allein im Bereich der Unterkunft Kosten in Höhe von 4,2 Mio € bedeuten würde.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Waltraud Gruber), dass sie das Projekt ebenfalls begrüße. Sie würde jedoch gerne die Kosten in Relation sehen, was ein unbegleiteter Minderjähriger den Landkreis kosten würde, wenn er eine normale Ausbildung an einer Berufsschule macht. Ferner die Kosten in Relation eines normalen Jugendlichen im Berufsförderungswerk. Die Kosten der Unterkunft und für die Beförderung verblieben eh dem Landkreis. Dazu Herr Salberg, dass er die Zahlen auswendig nicht liefern könne, dass jedoch die Unterbringungskosten von Jugendlichen beim BBW deutlich höher seien, da diese meist unter Reha-Maßnahmen fielen. Bei den Schülern an den Berufsschulen entstünden in der Regel keine Unterbringungskosten und auch nicht das Produkt assistierte Ausbildung. Entscheidend hier sei jedoch, dass ohne das Projekt die Jugendlichen die Berufsschule nicht beenden könnten. Frau Geisler ergänzt, dass bei den anderen Jugendlichen dafür Gastschulbeträge für die Berufsschulen anfielen. Frau Gruber bittet, dass die sowieso anfallenden Kosten isoliert betrachtet werden, um zu sehen, was der unbegleitete Minderjährige tatsächlich im Vergleich zu einem Berufsschüler den Landkreis mehr koste.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Reinhard Oellerer), dass er die Einschätzung von Frau Nahles sehr pessimistisch sehe. Alle 25 Asylbewerber in Anzing hätten bereits ins Berufsleben integriert werden können, auch wenn es meist nur Hilfsarbeiten wären. Alles was im Asylbereich derzeit passiere, wandle sich so schnell, dass in einem halben Jahr vieles wieder ganz anders sein werde. Wenn die unbegleiteten Minderjährigen bleiben, dann müsse man ihnen auch Chancen bieten und die Politik müsse sich insgesamt bewegen. Fraglich sei auch, warum 17-jährige immer noch in den Einrichtungen untergebracht sein müssen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für deutsche Jugendliche höre mit 16 Jahren auf. Es sei in der Politik und Öffentlichkeit durchaus transportierbar, dass der Landkreis in dieses Pilotprojekt einsteige aufgrund der besonderen Situation mit den zwei Einrichtungen, die das qualifizierten anbieten können. Sollte das Projekt finanziell ausarten, dann müsse man auch dazu stehen, dass weitere Maßnahmen nicht möglich seien.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Josef Schwäbl), dass er sich das Projekt einmalig vorstellen könne. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass ein Kreisrat später die Hand gegen das Projekt heben werde. Fraglich sei auch, warum nur 18 Teilnehmer von den derzeit 110 unbegleiteten Minderjährigen gefördert werden sollen. Realistisch betrachtet müssen weitere Maßnahmen auf den Landkreis zukommen. Spätestens wenn es kreisumlagerelevant werde, werde es wieder zu ganz anderen Diskussionen kommen. Eine abschließende Bewertung halte er heute auch nicht für möglich.

 

Herr Salberg erläutert, dass sich die Zahl der Teilnehmer daraus ergebe, dass nächstes Jahr 19 unbegleitete Minderjährige mit dem Berufsintegrationsjahr fertig werden würden. Er gehe davon aus, dass zwei bis drei Jugendliche anderweitig auf dem Arbeitsmarkt untergebracht werden könnten, der Rest aber gefördert werden müsse und vielleicht noch ein, zwei hinzugenommen werden müssen.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Udo Ockel), die Kosten die für den Landkreis anfallen würde sehe er als geringfügig, wenn er aber die Gesamtsumme von 220.000 € / Teilnehmer betrachte, müsse man sich als Steuerzahler die Frage stellen, ob diese Leute jemals in der Lage sein werden dies mit ihren Steuern refinanzieren zu können, solange sie arbeiten. Sollte das Projekt einschlagen, könne es sich der Landkreis nicht leisten. Sollte es nicht einschlagen, dann wäre das Geld umsonst ausgegeben worden. Ohne der Fraktion vorgreifen zu wollen, lehne er heute das Projekt aus finanziellen Gründen ab. Unabhängig davon, ob solche Projekte vom Bund oder den Kommunen finanziert werden, letztendlich zahle es der Bürger.

 

Bitte aus dem Gremium (Albert Hingerl), dass die Gegenrechnung von Herrn Salberg in den Unterlagen ergänzt werde, um noch einmal sehen zu können, was passiert kostenmäßig, wenn das Projekt nicht umgesetzt werde und die Asylbewerber über Hartz IV finanziert werden müssten.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Renate Will), dass der Vorschlag des BBW und BFW nicht nur Modellcharakter bleiben soll, sondern auch zur Nachahmung anregen solle. Bis Ende des Projekts im Jahr 2019 könnten sich noch weitere Möglichkeiten ergeben. Entscheidend heute sei, erst einmal mit dem Projekt zu starten.

 

Der Landrat formuliert mit Einverständnis des Gremiums den u.a. Beschlussvorschlag neu.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Christian Eckert), dass er das Projekt zwar für gut aber etwas zu ehrgeizig sehe. Niemand könne wissen, ob alle Jugendliche die Maßnahmen dann auch beenden. Zudem müsse man auch das Gerechtigkeitsprinzip berücksichtigen, wenn einige gefördert werden und andere nicht. Dies könnte zu Neid und Missgunst führen und am Ende käme noch einer mit Rechtsanwalt, um die Förderung einzufordern. Frau Geisler dazu, dass von den derzeit 110 unbegleiteten Minderjährigen nicht alle für das Programm geeignet sein werden, einige werden es nicht meistern können, einige werden andere Wege gehen müssen oder andere ohne das Programm eine Ausbildung machen können. Für das Projekt seien nur Jugendliche vorgesehen, die auch das Potenzial dazu hätten, das Programm zu beenden.

 

Wortmeldung aus dem Gremium (Georg Reitsberger), angesichts der großen Asylproblematik sehe er das Projekt nur als Tropfen auf dem heißen Stein. Eine allgemeine Umsetzung sei unmöglich. Die jungen Menschen müssen früher und schneller in die Arbeitswelt herangeführt werden z.B. mit Intensivkursen und nicht über einen Zeitraum von drei Jahren.

 

Der Landrat stellt fest, dass es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt und lässt über den geänderten Beschlussvorschlag abstimmen.


Der Kreis- und Strategieausschuss fasst folgenden Beschluss:

 

Der Kreis- und Strategieausschuss begrüßt grundsätzlich das Projekt „arbeitsmarktliche Integration von unbegleiteten Minderjährigen“ und beauftragt die Verwaltung, in Verhandlungen mit der Bundesagentur für Arbeit zu treten.

 

Der Kreis und Strategieausschuss befasst sich erneut am 30.11.2015 mit dem Thema.