Betreff
Situationsbericht zur Schulbegleitung im Landkreis Ebersberg
Vorlage
2022/0640
Art
Sitzungsvorlage

Aufgrund der Regelung des § 35a SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gesetzlich verpflichtet, bei Bedarf Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung zu leisten. Diese Hilfe wird unter anderem in ambulanter Form als Schulbegleitung für Kinder und Jugendliche angeboten, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Die Schulbegleitung dient der Unterstützung dieser Kinder und Jugendlichen und erleichtert oder ermöglicht ihnen die Teilnahme am Regelunterricht sowie die Teilhabe am Schulleben. Es handelt sich dabei um eine Pflichtaufgabe des Kreisjugendamtes Ebersberg, die entsprechend dem individuellen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen zu erbringen ist.

 

Die Hilfe wird bedürftigen Kindern und Jugendlichen in allen Altersgruppen bis längstens zum 21. Lebensjahr in allen Schularten gewährt. Die Umsetzung und der Umfang der Hilfe orientiert sich an den Bedürfnissen der jungen Menschen. Damit werden Schulbegleiter sowohl für einzelne Stunden und bestimmte Fächer zur Verfügung gestellt, als auch während des gesamten Schultages, sofern dies im Einzelfall erforderlich ist.

 

Im Landkreis Ebersberg wird die Schulbegleitung überwiegend im Fall von diagnostizierten autistischen Störungen (IQ ab 70) und besonders schweren Verhaltensauffälligkeiten (z.B. ADHS) gewährt. Die Genehmigung der Hilfe erfolgt nach einer detaillierten Überprüfung der Teilhabebeeinträchtigung, die von der Fachkraft der Jugendhilfe anhand von Unterlagen, Gutachten, Gesprächen im sozialen Umfeld (Eltern, Lehrer, Sporteinrichtungen etc.) und einer ausgiebigen Hospitation im Schulalltag beurteilt wird. Im Rahmen einer Fallkonferenz wird das Ergebnis von mehreren Fachkräften fachlich eingeschätzt und die endgültige Entscheidung über die Maßnahme getroffen. 

 

Der Schulbegleiter leistet wertvolle Unterstützung, um Defizite im sozialen, emotionalen und kommunikativen Bereich auszugleichen, sofern dies von der Schule mit ihrer gruppenbezogenen Ausstattung nicht geleistet werden kann. Der Schulbegleiter bietet lebenspraktische Hilfe zur Bewältigung des Unterrichts und des Schulalltags und leistet Hilfestellung bei der Begegnung mit Mitschülern, mit dem Ziel, das Kind oder den Jugendlichen in den Klassenverband zu integrieren. Seine Aufgabe ist es auch, das Kind oder den Jugendlichen im emotionalen und sozialen Bereich im Sinne der Prävention zu unterstützen und in krisenhaften Situationen sowie bei Selbst- oder Fremdgefährdung zu intervenieren. Insgesamt soll die Schulbegleitung das Kind oder den Jugendlichen befähigen, soweit wie möglich von den Leistungen des Schulbegleiters unabhängig zu werden. Allerdings fungiert der Schulbegleiter nicht als Zweitlehrer, weshalb er auch keine Klassenaufsicht führt und keine Lehrinhalte vermittelt.

 

In den letzten fünf Jahren ist eine deutliche Zunahme der Schulbegleitungen in allen Schulformen zu beobachten. Dabei ist festzustellen, dass die Hilfen auch zunehmend von Schulen mit einer besonderen pädagogischen Ausrichtung (z.B. Sonderpädagogische Förderzentren) in Anspruch genommen werden. Ursächlich für diese Entwicklung dürfte eine immer größer werdende Anzahl von verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen sein, für deren Förderung und Betreuung die vorhandenen pädagogischen Konzepte und die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer nicht ausreicht, weshalb zunehmend die Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe eingefordert wird. Nahmen im Jahr 2017 noch 26 Schülerinnen und Schüler eine Schulbegleitung in Anspruch, stieg deren Anzahl im vergangenen Jahr bereits auf 50 Fälle an, was einer Steigerung um 100 % entspricht. Die neueste Statistik weist zum Stand Februar 2022 bereits 50 Schulbegleitungen aus, weshalb ein weiterer Anstieg bis zum Jahresende zu befürchten steht.

 

Diese Entwicklung macht deutlich, dass immer mehr Kinder und Jugendliche diese spezielle Form der Unterstützung benötigen und bereits im Vorschulalter von einer Integrationsfachkraft begleitet werden müssen. Gerade diese Kinder bedürfen dann auch bei Schuleintritt in nahezu allen Fällen einer Schulbegleitung, um überhaupt regelhaft beschult zu werden. Die Kinder- und Jugendhilfe steht hierbei regelmäßig in der Verpflichtung, diese Kinder und Jugendlichen mit einer Schulbegleitung zu unterstützen.

 

Die Kosten für die Schulbegleitung stiegen in den letzten Jahren kontinuierlich an. Waren es 2017 noch knapp 370.000 Euro, die für diese Hilfeform aufzuwenden waren, umfassten die Kosten im vergangenem Jahr bereits 712.000 Euro, was einem Anstieg um 92 % entspricht.

 

Poollösungen oder das Betreuen von zwei Kindern durch einen Schulbegleiter brachten keine finanzielle Reduzierung.

 

Um das System der Kinder- und Jugendhilfe zu entlasten, müsste das System Schule, in Verantwortung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, personell aufgestockt und auch konzeptionell und lehrpädagogisch in die Lage versetzt werden, alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von deren persönlichen Eigenschaften, zu fördern und zu betreuen. Solange aber über diese Notwendigkeit kein politischer Konsens besteht und entsprechende Vereinbarungen unterbleiben, werden die Fallzahlen und die Kosten für die Schulbegleitungen unaufhörlich ansteigen.

Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

                                                                       ja, positiv

                                                                       ja, negativ

                                                                       nein

Dem Jugendhilfeausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

 

Keiner, Kenntnisnahme

Auswirkung auf den Haushalt:

 

In den kommenden Jahren sind signifikante Kostensteigerungen zu erwarten.