Betreff
Vereinbarkeit Moorschutz und PV- Freiflächenanlagen; Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen vom 23.05.2021
Vorlage
2022/0683
Art
Sitzungsvorlage

Diese Angelegenheit wurde bereits behandelt im

ULV-Ausschuss am 16.06.2021, TOP 7 ö

 

Am 16.06.2021 beriet der ULV-Ausschuss über den Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen vom 23.05.2021 und fasste folgenden Beschluss:

1. Die Verwaltung wird beauftragt, Möglichkeiten der Kompensation der Klimagase CO2e (CO2-Äquivalente für Klimagase) durch konkrete Moor-Renaturierungsprojekte im Landkreis Ebersberg aufzuzeigen und im Umweltausschuss vorzustellen.

keine Beschlussfassung

Aufgrund des Sachvortrages hat sich eine Abstimmung erübrigt.

2. Grundlegende und validierte Informationen zur CO2-Speicherfähigkeit von Mooren insbesondere im Vergleich zu anderen Bodenarten (Wald, Wiese, Acker) sollten in diesem Zusammenhang dem Umweltausschuss als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden.

einstimmig angenommen

3. Insbesondere werden Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, eine Kompensation über die bereits beschlossene Zukunftsaktie des Landkreises Ebersberg zu ergreifen.

angenommen, Ja 13 Nein 1

4. Die Energieagentur wird beauftragt Informationen zum Thema Freiflächenphotovoltaik auf intensiv landwirtschaftlich genutzten, ehemaligen Moorflächen im Rahmen ihres Internetauftritts bereitzustellen und Projekte in dieser Hinsicht ebenfalls im Zuge der Zukunftsaktie zu prüfen und ggf. aufzunehmen.

angenommen, Ja 9 Nein 5

Die Punkte 1 & 2 werden vorgestellt, wenn das Klimaanpassungskonzept, welches sich mit der entsprechenden Untersuchung befasst, fertig gestellt ist.

Um Punkt 3 zu realisieren, muss der Landkreis Ebersberg zunächst an der Aktion Zukunft Plus teilnehmen. Möglichkeiten hierzu werden im ULV-Ausschuss im Oktober 2022 vorgestellt werden (gilt auch für Punkt 4).

Punkt 4 (abgesehen von Zukunftsaktie) wird in der Sitzung des ULV-Ausschusses im Juli 2022 erörtert und ist Gegenstand dieser Sitzungsvorlage.

 

Hintergrund

Bereits seit Langem ist der Landkreis bestrebt, die Wiedervernässung von Moorflächen voranzutreiben, da die trocken gelegten Moorflächen im Landkreis CO2 ausstoßen, während renaturierte Moore CO2 speichern. 

Eine Herausforderung für die Wiedervernässung besteht darin, dass Anlieger der wiedervernässten Flächen nicht in ihrer Bewirtschaftung beeinträchtigt werden dürfen. Der Landkreis bemüht sich daher seit Jahren und mit Erfolg, große zusammenhängende Moorgebiete für eine zukünftige Wiedervernässung zu erwerben. Wo kein Erwerb möglich ist, kann eine perspektivische Wiedervernässung mitunter durch die Anlage von Ausgleichsflächen vorbereitet werden.

Aufgrund des nachvollziehbaren Bedarfs der Landwirte insbesondere an Grünlandflächen für den Viehbestand gibt es jedoch auch im Kernbereich unserer Moorgebiete Flächen, auf denen die Eigentümer verständlicherweise nicht riskieren wollen, durch Wiedervernässung erschwerten Bewirtschaftungsbedingungen und sonstigen Unwägbarkeiten ausgesetzt zu sein. Um diese Landwirte zur Wiedervernässung zu motivieren, soll ein Anreiz über eine weitere wirtschaftliche Nutzung zusätzlich bzw. alternativ zur landwirtschaftlichen Nutzung geschaffen werden. Dies könnte z.B. durch die Errichtung von PV Freiflächenanlagen auf zu vernässenden Moorflächen geschehen oder durch den Anbau von Paludikulturen.

Da der Landkreis eine deutliche Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien benötigt, um den Strombedarf regenerativ und lokal zu decken, bietet sich u. a. die Errichtung von PV Freiflächenanlagen an.

Bericht der Energieagentur

Die Energieagentur hat einen Bericht erstellt, in dem Informationen zur Klimawirksamkeit ehemaliger Moorflächen, sowie auch konkrete Anforderungen an PV-Projekte auf ehemaligen Moorböden mit dem Ziel der Wiedervernässung beschrieben werden (Anlage 1). Die Informationen sind anhand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis belegt. In Ergänzung dazu enthält der Bericht Empfehlungen aus Sicht der Energieagentur. Die Informationen werden auf der Homepage der Energieagentur veröffentlicht.

Die Vereinbarkeit von PV-Freiflächenanlagen mit aktivem Moorschutz ist aus Sicht der Energieagentur Ebersberg-München möglich. Hierbei sollte der aktive Moorschutz im Vordergrund stehen. Auch eine Aufwertung der Biodiversität kann erreicht werden. Es sollte das primäre Ziel verfolgt werden, dass eine aktive Wiedervernässung der ehemaligen Moorfläche erreicht wird, um weiteres Entweichen von CO2 aus dem trockengelegten Moorboden zu stoppen. Dies kann durch Anheben des Grundwasserstandes erreicht werden. Als mögliche Maßnahmen werden das Schließen von Drainagen und das Setzen von Staustufen genannt.

Die Energieagentur kommt in Ihrer Einschätzung zur Eignung ehemaliger Moorflächen für Solar-Freiflächenanlagen zum Fazit, dass ein Gesamtkonzept für den Landkreis entwickelt werden sollte. Bei der Auswahl von Flächen sollten jene bevorzugt werden, welche aktuell intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, da somit das größte CO2-Einsparpotenzial gegeben ist. Zudem sollten möglichst zusammenhängende Flächen identifiziert werden, bei welchen eine Wiedervernässung langfristig möglich ist. Es werden einige Fragestellungen zum Umgang mit Nachbarflächen, zum Bauvorgang, sowie zu den Anforderungen zur Steigerung der Biodiversität genannt, die im Zuge dessen Berücksichtigung finden sollen.

Die speziellen technischen Anforderungen von PV-Freiflächenanlagen auf Moorflächen sowie zwei jüngst umgesetzte PV-Projekte auf ehemaligen Moorböden sind im Bericht der Energieagentur beschrieben. Dabei wird deutlich, dass eine reduzierte Modul-Belegungsdichte und die Verwendung spezieller für nasse Böden entwickelter Fundamente erforderlich sind. Es wird darauf verwiesen, dass die Flächen individuell über Boden- und Umweltgutachten zu prüfen sind.

Zudem wird auf die aktuelle Novellierung des Erneuerbare-Energien- Gesetzes verwiesen, wonach künftig über Zahlung eines gesonderten Bonus, ein Anreiz für die Kombination von PV-Freiflächenanlagen und aktivem Moorschutz geschaffen werden soll.

Naturschutzfachliche und –rechtliche Kriterien

Aus naturschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht fallen bei der Beurteilung von neu auszuweisenden Planungsstandorten auf Moorstandorten die folgenden weiteren Betrachtungen besonders ins Gewicht:

  1. Artenschutz § 44 BNatSchG

Beim überwiegenden Teil unserer Moorgebiete handelt es sich um bedeutende Rückzugsgebiete für die heimische Flora und Fauna, darunter seltene und bedrohte Arten wie Kiebitz, Großer Brachvogel und Kreuzotter. Die Lebensraumansprüche einiger in Moorbereichen vertretener Arten sind durchaus mit der Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen vereinbar. Bei anderen seltenen und bedrohten Arten jedoch steht die Errichtung solcher Anlagen in fundamentalem Widerspruch zu deren Bedürfnissen. Es ist daher zu befürchten, dass sich der Erhaltungszustand anlagensensibler Arten wie z. B. dem Kiebitz verschlechtert, wenn dessen wenige noch verbliebenen Rückzugs- und Fortpflanzungsgebiete durch die Errichtung großflächiger Photovoltaikanlagen geschmälert werden.

Aufgrund der grundsätzlichen Lebensraumeignung vieler Moorflächen für anlagensensible planungsrelevante Arten setzt die Ausweisung neuer Planungsstandorte im Moorbereich immer eine artenschutzrechtliche Einzelfallprüfung (spezielle artenschutzrechtliche Prüfung = saP) voraus.

Da es sich, wie eingangs beschrieben, bei einigen Artvorkommen im Moorbereich um die letzten Vorkommen dieser Arten im Landkreis handelt, kommt der artenschutzrechtlichen Betrachtung ein entsprechend hohes Gewicht zu.

  1. Schutzgebiete

Einige großflächige Moorbereiche im Landkreis Ebersberg liegen in Landschaftsschutzgebieten, d. h. die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen muss dort im Einzelfall auf ihre Vereinbarkeit mit den Bestimmungen der jeweiligen Schutzgebietsverordnung geprüft werden. Eine Vereinbarkeit wird regelmäßig nicht gegeben und eine aufwändige rechtliche Einzelfallprüfung daher erforderlich sein.

  1. Rechtsverbindliche Auflagen aus Bescheiden

Aufgrund des hohen naturschutzfachlichen Potentials stehen die Moorgebiete im Landkreis Ebersberg seit geraumer Zeit im Fokus naturschutzfachlicher Interessen und Bestrebungen. Große Flächen konnten durch Flächenkäufe und durch die Anlage von Ausgleichsflächen für den Naturschutz gewonnen werden. Die allermeisten dieser Flächen sind mit Auflagen z. B. in Förderbescheiden und Grundbucheinträgen versehen, die die Errichtung baulicher Anlagen gänzlich untersagen. Die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen ist hier entsprechend nicht möglich.

Diese Kriterien sollten bei der Abschichtung von potentiellen Standorten unbedingt Berücksichtigung finden.

Bei der Erarbeitung eines Konzeptes ergeben sich noch einige weitere Fragestellungen:

  • Verfügbarkeit der landwirtschaftlichen Flächen: 
    Abstimmung mit der Landwirtschaft notwendig
  • Planungswillen der Gemeinden:
    Nach aktuellem Rechtsstand ist die Verwirklichung von Freiflächen-PV nur auf Grundlage einer gemeindlichen Bauleitplanung möglich. Ohne diese ist (derzeit) ein PV-Anlage im Außenbereich als sonstige bauliche Anlage i.d.R. nicht genehmigungsfähig.
  • Verfügbarkeit der Netzanbindung u.a.

 

Aus Sicht des Naturschutzes ist grundsätzlich festzuhalten, dass aktiver Klimaschutz im Moor zuallererst eine konservierende Maßnahme darstellt:

Durch den hohen Anteil organischer Bodensubstanz (OBS) sind enorme Kohlenstoffvorräte in Moorböden gebunden. Durch Trockenlegung der Moore wird die Mineralisierung - d. h. die Zerlegung der OBS durch Mikroorganismen in ihre anorganischen Bestandteile – angeregt. Die Mineralisierung führt zum raschen Abbau der OBS unter Freisetzung von Kohlendioxid. Die ackerbauliche Nutzung von Moorböden beschleunigt diesen Vorgang durch die gezielte Anregung der im Boden lebenden Organismen mittels Düngung und Bodenbearbeitung nochmals deutlich.

Zu beachten ist, dass der Abbau der OBS unter den oben beschriebenen Bedingungen enorm schnell voranschreitet. Dem gegenüber dauert der Aufbau eines Moorkörpers Jahrhunderte bis Jahrtausende, denn ein intakter, d. h. ein vernässter und torfbildender Moorkörper wächst pro Jahr lediglich um rund 1 Millimeter.

Der Wiedervernässung von denaturierten Moorflächen (CO2-Emitter) sowie dem unbedingten Erhalt intakter, d. h. torfbildender Moorflächen (CO2-Speicher) kommt daher auch aus Sicht des Naturschutzes eine hohe Bedeutung zu. Eine ackerbauliche Nutzung von Moorflächen (Grünlandumbruch), ist aus denselben Gründen möglichst zu vermeiden, die Neuanlage von Drainagen ist auf den entsprechenden Böden inzwischen gesetzlich verboten. Die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen auf Moorflächen ist dagegen grundsätzlich denkbar, wenn sie nicht im Widerspruch zu einer perspektivischen Wiedervernässung und zu weiteren Zielsetzungen steht.

Fazit aus Sicht der UNB:

Eine Wiedervernässung ist nicht gleichbedeutend mit der Renaturierung der Moore. Durch ein Wiedervernässen ehemaliger Moorflächen lässt sich nur ein weiterer CO2 Ausstoß vermeiden bzw. stoppen; eine neue CO2_Bindung ist nur möglich, wenn auch die entsprechenden moorbildenden Arten (Moose) vorhanden sind.

PV auf Freiflächen ist aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes kritisch zu betrachten, solange die Potenziale auf Dachflächen und versiegelten Flächen nicht ausreichend genutzt werden. Ideen/ Entwürfe zur Planung von Freiflächenanlagen werden bereits jetzt intensiv naturschutzfachlich und rechtlich betreut und bestmöglich begleitet.

Fazit aus Sicht der EA

Die Vereinbarkeit aktivem Moorschutz mit PV-Freiflächenanlagen ist möglich, wenn die Module in reduzierter Belegungsdichte aufgestellt werden und standortspezifische Fundamente verwendet bzw. entwickelt werden. Die somit gegebene teilweise Beschattung durch die Module wirkt der Austrocknung von Moorflächen entgegen, wodurch die Wiedervernässung unterstützt werden kann. Neben den technischen Lösungen, den Maßnahmen der langfristigen Wiedervernässung, werden die Eigentumsverhältnisse und die Nutzungsänderung der Fläche eine wesentliche Rolle spielen. Es wird empfohlen, diese im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zu prüfen.

Fazit der Klimaschutzmanagerin

Die Vernässung der trockenen Moore ist ein wichtiger Schritt, der sowohl dem Klima- als auch dem Umweltschutz dient. Um eine Wiedervernässung zu erreichen, müssen Landwirte der Vernässung zustimmen. Ein Anreiz können hier die Einnahmen durch PV Freiflächenanlagen bilden, welche auf den zu vernässenden Moorflächen so errichtet werden könnten, dass eine Vernässung und Renaturierung stattfinden könnten und der Artenschutz ebenfalls berücksichtigt würde. Natürlich müsste jede Fläche im Einzelfall geprüft werden.

Als sinnvollen ersten Schritt erachtet die Klimaschutzmanagerin, dass die Informationen den relevanten Stakeholder vorgestellt werden. Dies könnte z.B:  während des Runden Tisches Landwirtschaft geschehen, da hier Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, des Bauernverbandes und des Maschinenrings anwesend sind. Landwirte könnten ihr Interesse bekunden und dann kann (gemeinsam mit diesen) weiter geplant werden.

Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

                                                                       ja, positiv, siehe Tool in der Anlage. Die Information kann zu mehr Klimaschutz führen.

Dem ULV-Ausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

 

Die Informationen zu der möglichen Errichtung von PV Freiflächenanlagen auf zu vernässenden Moorflächen wird den Landwirten und anderen relevanten Stakeholdern im Rahmen des Runden Tischs Landwirtschaft vorgestellt mit dem Ziel, das Interesse der Grundstückseigentümer zu eruieren.

Auswirkung auf den Haushalt:

 

Keine.