Diese Angelegenheit wurde bereits behandelt im
ULV-Ausschuss am 16.06.2021, TOP 7 ö
Am 16.06.2021 beriet der
ULV-Ausschuss über den Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen vom 23.05.2021 und
fasste folgenden Beschluss:
1. Die Verwaltung wird
beauftragt, Möglichkeiten der Kompensation der Klimagase CO2e (CO2-Äquivalente
für Klimagase) durch konkrete Moor-Renaturierungsprojekte im Landkreis
Ebersberg aufzuzeigen und im Umweltausschuss vorzustellen.
keine Beschlussfassung
Aufgrund des
Sachvortrages hat sich eine Abstimmung erübrigt.
2. Grundlegende und
validierte Informationen zur CO2-Speicherfähigkeit von Mooren insbesondere im
Vergleich zu anderen Bodenarten (Wald, Wiese, Acker) sollten in diesem
Zusammenhang dem Umweltausschuss als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung
gestellt werden.
einstimmig angenommen
3. Insbesondere werden
Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, eine Kompensation über die bereits
beschlossene Zukunftsaktie des Landkreises Ebersberg zu ergreifen.
angenommen, Ja 13 Nein 1
4. Die Energieagentur
wird beauftragt Informationen zum Thema Freiflächenphotovoltaik auf intensiv
landwirtschaftlich genutzten, ehemaligen Moorflächen im Rahmen ihres
Internetauftritts bereitzustellen und Projekte in dieser Hinsicht ebenfalls im
Zuge der Zukunftsaktie zu prüfen und ggf. aufzunehmen.
angenommen, Ja 9 Nein 5
Die Punkte 1 & 2 werden vorgestellt, wenn das
Klimaanpassungskonzept, welches sich mit der entsprechenden Untersuchung
befasst, fertig gestellt ist.
Um Punkt 3 zu realisieren, muss der Landkreis Ebersberg zunächst an
der Aktion Zukunft Plus teilnehmen. Möglichkeiten hierzu werden im ULV-Ausschuss
im Oktober 2022 vorgestellt werden (gilt auch für Punkt 4).
Punkt 4 (abgesehen von Zukunftsaktie) wird in der Sitzung des
ULV-Ausschusses im Juli 2022 erörtert und ist Gegenstand dieser
Sitzungsvorlage.
Hintergrund
Bereits seit Langem ist
der Landkreis bestrebt, die Wiedervernässung von Moorflächen voranzutreiben, da
die trocken gelegten Moorflächen im Landkreis CO2 ausstoßen, während renaturierte
Moore CO2 speichern.
Eine Herausforderung für
die Wiedervernässung besteht darin, dass Anlieger der wiedervernässten Flächen
nicht in ihrer Bewirtschaftung beeinträchtigt werden dürfen. Der Landkreis
bemüht sich daher seit Jahren und mit Erfolg, große zusammenhängende
Moorgebiete für eine zukünftige Wiedervernässung zu erwerben. Wo kein Erwerb
möglich ist, kann eine perspektivische Wiedervernässung mitunter durch die
Anlage von Ausgleichsflächen vorbereitet werden.
Aufgrund des
nachvollziehbaren Bedarfs der Landwirte insbesondere an Grünlandflächen für den
Viehbestand gibt es jedoch auch im Kernbereich unserer Moorgebiete Flächen, auf
denen die Eigentümer verständlicherweise nicht riskieren wollen, durch
Wiedervernässung erschwerten Bewirtschaftungsbedingungen und sonstigen
Unwägbarkeiten ausgesetzt zu sein. Um diese Landwirte zur Wiedervernässung zu
motivieren, soll ein Anreiz über eine weitere wirtschaftliche Nutzung
zusätzlich bzw. alternativ zur landwirtschaftlichen Nutzung geschaffen werden.
Dies könnte z.B. durch die Errichtung von PV Freiflächenanlagen auf zu
vernässenden Moorflächen geschehen oder durch den Anbau von Paludikulturen.
Da der Landkreis eine
deutliche Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien benötigt, um den
Strombedarf regenerativ und lokal zu decken, bietet sich u. a. die Errichtung
von PV Freiflächenanlagen an.
Bericht der Energieagentur
Die Energieagentur hat
einen Bericht erstellt, in dem Informationen zur Klimawirksamkeit ehemaliger
Moorflächen, sowie auch konkrete Anforderungen an PV-Projekte auf ehemaligen
Moorböden mit dem Ziel der Wiedervernässung beschrieben werden (Anlage 1). Die
Informationen sind anhand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und
Erfahrungen aus der Praxis belegt. In Ergänzung dazu enthält der Bericht
Empfehlungen aus Sicht der Energieagentur. Die Informationen werden auf der
Homepage der Energieagentur veröffentlicht.
Die Vereinbarkeit von
PV-Freiflächenanlagen mit aktivem Moorschutz ist aus Sicht der Energieagentur
Ebersberg-München möglich. Hierbei sollte der aktive Moorschutz im Vordergrund
stehen. Auch eine Aufwertung der Biodiversität kann erreicht werden. Es sollte
das primäre Ziel verfolgt werden, dass eine aktive Wiedervernässung der
ehemaligen Moorfläche erreicht wird, um weiteres Entweichen von CO2 aus dem
trockengelegten Moorboden zu stoppen. Dies kann durch Anheben des
Grundwasserstandes erreicht werden. Als mögliche Maßnahmen werden das Schließen
von Drainagen und das Setzen von Staustufen genannt.
Die Energieagentur kommt
in Ihrer Einschätzung zur Eignung ehemaliger Moorflächen für
Solar-Freiflächenanlagen zum Fazit, dass ein Gesamtkonzept für den Landkreis
entwickelt werden sollte. Bei der Auswahl von Flächen sollten jene bevorzugt
werden, welche aktuell intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, da somit das
größte CO2-Einsparpotenzial gegeben ist. Zudem sollten möglichst
zusammenhängende Flächen identifiziert werden, bei welchen eine
Wiedervernässung langfristig möglich ist. Es werden einige Fragestellungen zum
Umgang mit Nachbarflächen, zum Bauvorgang, sowie zu den Anforderungen zur
Steigerung der Biodiversität genannt, die im Zuge dessen Berücksichtigung
finden sollen.
Die speziellen
technischen Anforderungen von PV-Freiflächenanlagen auf Moorflächen sowie zwei
jüngst umgesetzte PV-Projekte auf ehemaligen Moorböden sind im Bericht der
Energieagentur beschrieben. Dabei wird deutlich, dass eine reduzierte
Modul-Belegungsdichte und die Verwendung spezieller für nasse Böden
entwickelter Fundamente erforderlich sind. Es wird darauf verwiesen, dass die
Flächen individuell über Boden- und Umweltgutachten zu prüfen sind.
Zudem wird auf die
aktuelle Novellierung des Erneuerbare-Energien- Gesetzes verwiesen, wonach
künftig über Zahlung eines gesonderten Bonus, ein Anreiz für die Kombination
von PV-Freiflächenanlagen und aktivem Moorschutz geschaffen werden soll.
Naturschutzfachliche und –rechtliche Kriterien
Aus
naturschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht fallen bei der Beurteilung von neu
auszuweisenden Planungsstandorten auf Moorstandorten die folgenden weiteren
Betrachtungen besonders ins Gewicht:
- Artenschutz § 44 BNatSchG
Beim überwiegenden Teil
unserer Moorgebiete handelt es sich um bedeutende Rückzugsgebiete für die
heimische Flora und Fauna, darunter seltene und bedrohte Arten wie Kiebitz,
Großer Brachvogel und Kreuzotter. Die Lebensraumansprüche einiger in
Moorbereichen vertretener Arten sind durchaus mit der Errichtung von
Freiflächenphotovoltaikanlagen vereinbar. Bei anderen seltenen und bedrohten
Arten jedoch steht die Errichtung solcher Anlagen in fundamentalem Widerspruch
zu deren Bedürfnissen. Es ist daher zu befürchten, dass sich der
Erhaltungszustand anlagensensibler Arten wie z. B. dem Kiebitz verschlechtert,
wenn dessen wenige noch verbliebenen Rückzugs- und Fortpflanzungsgebiete durch
die Errichtung großflächiger Photovoltaikanlagen geschmälert werden.
Aufgrund der
grundsätzlichen Lebensraumeignung vieler Moorflächen für anlagensensible
planungsrelevante Arten setzt die Ausweisung neuer Planungsstandorte im
Moorbereich immer eine artenschutzrechtliche Einzelfallprüfung (spezielle
artenschutzrechtliche Prüfung = saP) voraus.
Da es sich, wie eingangs
beschrieben, bei einigen Artvorkommen im Moorbereich um die letzten Vorkommen
dieser Arten im Landkreis handelt, kommt der artenschutzrechtlichen Betrachtung
ein entsprechend hohes Gewicht zu.
- Schutzgebiete
Einige großflächige
Moorbereiche im Landkreis Ebersberg liegen in Landschaftsschutzgebieten, d. h.
die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen muss dort im Einzelfall auf
ihre Vereinbarkeit mit den Bestimmungen der jeweiligen Schutzgebietsverordnung
geprüft werden. Eine Vereinbarkeit wird regelmäßig nicht gegeben und eine
aufwändige rechtliche Einzelfallprüfung daher erforderlich sein.
- Rechtsverbindliche Auflagen aus
Bescheiden
Aufgrund des hohen
naturschutzfachlichen Potentials stehen die Moorgebiete im Landkreis Ebersberg
seit geraumer Zeit im Fokus naturschutzfachlicher Interessen und Bestrebungen.
Große Flächen konnten durch Flächenkäufe und durch die Anlage von
Ausgleichsflächen für den Naturschutz gewonnen werden. Die allermeisten dieser
Flächen sind mit Auflagen z. B. in Förderbescheiden und Grundbucheinträgen
versehen, die die Errichtung baulicher Anlagen gänzlich untersagen. Die Errichtung
von Freiflächenphotovoltaikanlagen ist hier entsprechend nicht möglich.
Diese Kriterien sollten
bei der Abschichtung von potentiellen Standorten unbedingt Berücksichtigung
finden.
Bei der Erarbeitung
eines Konzeptes ergeben sich noch einige weitere Fragestellungen:
- Verfügbarkeit der landwirtschaftlichen
Flächen:
Abstimmung mit der Landwirtschaft notwendig - Planungswillen der Gemeinden:
Nach aktuellem Rechtsstand ist die Verwirklichung von Freiflächen-PV nur auf Grundlage einer gemeindlichen Bauleitplanung möglich. Ohne diese ist (derzeit) ein PV-Anlage im Außenbereich als sonstige bauliche Anlage i.d.R. nicht genehmigungsfähig. - Verfügbarkeit der Netzanbindung u.a.
Aus Sicht des
Naturschutzes ist grundsätzlich festzuhalten, dass aktiver Klimaschutz im Moor
zuallererst eine konservierende Maßnahme darstellt:
Durch den hohen Anteil
organischer Bodensubstanz (OBS) sind enorme Kohlenstoffvorräte in Moorböden
gebunden. Durch Trockenlegung der Moore wird die Mineralisierung - d. h. die
Zerlegung der OBS durch Mikroorganismen in ihre anorganischen Bestandteile –
angeregt. Die Mineralisierung führt zum raschen Abbau der OBS unter Freisetzung
von Kohlendioxid. Die ackerbauliche Nutzung von Moorböden beschleunigt diesen
Vorgang durch die gezielte Anregung der im Boden lebenden Organismen mittels
Düngung und Bodenbearbeitung nochmals deutlich.
Zu beachten ist, dass
der Abbau der OBS unter den oben beschriebenen Bedingungen enorm schnell
voranschreitet. Dem gegenüber dauert der Aufbau eines Moorkörpers Jahrhunderte
bis Jahrtausende, denn ein intakter, d. h. ein vernässter und torfbildender
Moorkörper wächst pro Jahr lediglich um rund 1 Millimeter.
Der Wiedervernässung von
denaturierten Moorflächen (CO2-Emitter) sowie dem unbedingten Erhalt intakter,
d. h. torfbildender Moorflächen (CO2-Speicher) kommt daher auch aus Sicht des
Naturschutzes eine hohe Bedeutung zu. Eine ackerbauliche Nutzung von
Moorflächen (Grünlandumbruch), ist aus denselben Gründen möglichst zu
vermeiden, die Neuanlage von Drainagen ist auf den entsprechenden Böden
inzwischen gesetzlich verboten. Die Errichtung von
Freiflächenphotovoltaikanlagen auf Moorflächen ist dagegen grundsätzlich
denkbar, wenn sie nicht im Widerspruch zu einer perspektivischen
Wiedervernässung und zu weiteren Zielsetzungen steht.
Fazit aus Sicht der UNB:
Eine Wiedervernässung
ist nicht gleichbedeutend mit der Renaturierung der Moore. Durch ein
Wiedervernässen ehemaliger Moorflächen lässt sich nur ein weiterer CO2 Ausstoß
vermeiden bzw. stoppen; eine neue CO2_Bindung ist nur möglich, wenn auch die
entsprechenden moorbildenden Arten (Moose) vorhanden sind.
PV auf Freiflächen ist
aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes kritisch zu betrachten, solange
die Potenziale auf Dachflächen und versiegelten Flächen nicht ausreichend
genutzt werden. Ideen/ Entwürfe zur Planung von Freiflächenanlagen werden
bereits jetzt intensiv naturschutzfachlich und rechtlich betreut und
bestmöglich begleitet.
Fazit aus Sicht der EA
Die Vereinbarkeit
aktivem Moorschutz mit PV-Freiflächenanlagen ist möglich, wenn die Module in
reduzierter Belegungsdichte aufgestellt werden und standortspezifische
Fundamente verwendet bzw. entwickelt werden. Die somit gegebene teilweise
Beschattung durch die Module wirkt der Austrocknung von Moorflächen entgegen,
wodurch die Wiedervernässung unterstützt werden kann. Neben den technischen
Lösungen, den Maßnahmen der langfristigen Wiedervernässung, werden die
Eigentumsverhältnisse und die Nutzungsänderung der Fläche eine wesentliche
Rolle spielen. Es wird empfohlen, diese im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zu
prüfen.
Fazit der Klimaschutzmanagerin
Die Vernässung der
trockenen Moore ist ein wichtiger Schritt, der sowohl dem Klima- als auch dem
Umweltschutz dient. Um eine Wiedervernässung zu erreichen, müssen Landwirte der
Vernässung zustimmen. Ein Anreiz können hier die Einnahmen durch PV
Freiflächenanlagen bilden, welche auf den zu vernässenden Moorflächen so
errichtet werden könnten, dass eine Vernässung und Renaturierung stattfinden
könnten und der Artenschutz ebenfalls berücksichtigt würde. Natürlich müsste
jede Fläche im Einzelfall geprüft werden.
Als sinnvollen ersten
Schritt erachtet die Klimaschutzmanagerin, dass die Informationen den
relevanten Stakeholder vorgestellt werden. Dies könnte z.B: während des Runden Tisches Landwirtschaft
geschehen, da hier Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,
des Bauernverbandes und des Maschinenrings anwesend sind. Landwirte könnten ihr
Interesse bekunden und dann kann (gemeinsam mit diesen) weiter geplant werden.
Auswirkungen auf den Klimaschutz:
Dem ULV-Ausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:
Die Informationen zu der
möglichen Errichtung von PV Freiflächenanlagen auf zu vernässenden Moorflächen
wird den Landwirten und anderen relevanten Stakeholdern im Rahmen des Runden
Tischs Landwirtschaft vorgestellt mit dem Ziel, das Interesse der
Grundstückseigentümer zu eruieren.
Auswirkung auf den Haushalt:
Keine.