In den letzten Jahren ist die Zahl der
Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz und Zuflucht vor Krieg, Verfolgung und
Zerstörung suchten, stark angestiegen. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch
immer wieder viele Kinder und Jugendliche. Die überwiegende Mehrzahl trifft in
Begleitung ihrer Familie oder anderer Angehöriger in Deutschland ein. Diese
Kinder und Jugendlichen werden, anders als unbegleitete minderjährige Ausländer,
nicht automatisch von Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe erfasst, da zumeist
davon ausgegangen wird, dass ihre Eltern oder Angehörige ihnen Schutz und Fürsorge
sowie Orientierung und Sicherheit bieten, die für ein gelingendes Aufwachsen
erforderlich sind.
Die Kinder- und Jugendhilfe kennt eine
Vielzahl an Hilfen und Maßnahmen, um die zumeist prekäre und belastete
Lebenssituation von Flüchtlingskindern und ihren Familien zu erleichtern, wie z.
B. die Angebote der Frühen Hilfen oder Kindertageseinrichtungen bzw. die
Kindertagespflege. Insbesondere der Besuch einer Kindertageseinrichtung birgt
ein großes Potenzial für die Entwicklung, Integration und Teilhabe geflüchteter
Kinder. Aktuell befinden sich rund 190 Kinder aus der Ukraine im Alter zwischen
einem bis unter sechs Jahren im Landkreis Ebersberg. Spätestens ab September
2022 steht den allermeisten von ihnen ein Rechtsanspruch auf einen
Kinderbetreuungsplatz zu. Überdies gilt es rund 500 Kinder und Jugendliche
zwischen sechs und 17 Jahren in das Schulsystem zu integrieren.
Das Kreisjugendamt Ebersberg ist sich
seiner Verantwortung für diesen Personenkreis bewusst. Im Rahmen seiner
personellen Ressourcen versucht es daher alle ukrainischen Familien im
Landkreis zeitnah aufzusuchen. Dabei prüfen die Fachkräfte des Kreisjugendamtes
Ebersberg die Lebensbedingungen vor Ort und klären den individuellen
Unterstützungsbedarf ab. Den Müttern der rund 90 ukrainischen Kleinkinder im
Alter zwischen null bis drei Jahren werden, zusammen mit einem Willkommensgeschenk,
die speziellen Angebote in ihrer jeweiligen Wohnortgemeinde sowie alle
gemeindeübergreifenden Angebote im Landkreis Ebersberg unterbreitet. Sollte das
Kind bzw. der Jugendliche nicht mit seinen Eltern eingereist sein, wird darüber
hinaus der Wille der Sorgeberechtigten erfragt und eine Pflegeerlaubnis nach §
44 Sozialgesetzbuch-Achtes Buch (SGB VIII) ausgestellt. Sofern Kinder und
Jugendliche gänzlich ohne Begleitung sind, werden sie in Obhut genommen und in
eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder bei einer Pflegefamilie
untergebracht.
Aus Sicht des Kreisjugendamtes Ebersberg
ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine nicht nur
Sicherheit und Stabilität zu bieten, sondern ihnen auch eine Perspektive zu
eröffnen. Es muss daher Ziel sein, ukrainische Kinder und Jugendliche rasch in unsere
Kitas und Schulen zu integrieren und sie mit ergänzenden Angeboten aus ihrem
Heimatland zu versorgen. Dabei gilt es eine gute Balance zu finden zwischen der
Integration in unsere Gesellschaft und der Bewahrung ihrer ukrainischen
Identität.
Um dies zu erreichen, berät das
Kreisjugendamt Ebersberg die Landkreisgemeinden hinsichtlich der Schaffung zusätzlicher
Betreuungsangebote, vernetzt interessierte Anbieter und Unterstützer und
fördert die interkommunale Zusammenarbeit zur Sicherstellung des
Rechtsanspruchs. Eines machen die bisherigen Erfahrungen aber jetzt schon klar:
die Schaffung von Betreuungsangeboten für die ukrainischen Kinder braucht vor
allem ausreichendes Personal und Zeit!
Nachdem aber nach zwei Jahren der
Corona-Pandemie die Personaldecke in vielen Betreuungseinrichtungen sehr dünn geworden
ist, reicht in vielen Einrichtungen bereits der Ausfall einer einzigen Fachkraft,
um ein gesichertes Betreuungsangebot ins Wanken zu bringen. Die Erschöpfung und
Belastung des erzieherischen Personals ist nach den beiden Jahren im
Krisenmodus so groß, dass Fachkräfte in Erwartung leichterer Arbeitsbedingungen
in andere Berufszweige abwandern und damit den Fachkräftemangel zusätzlich
vergrößern. Zur Wahrheit gehört deshalb auch, dass diese Herausforderung mit
dem gegenwärtig in der frühkindlichen Bildung vorhandenen Personal nur
schwerlich zu meistern sein wird. Das Kreisjugendamt Ebersberg versucht daher an
dieser Stelle bei den übergeordneten Behörden ein Umdenken zu erwirken, um
möglichst pragmatisch und schnell ausreichend Betreuungsplätze schaffen zu
können.
Im bayerischen Sozialministerium macht sich
mittlerweile ein Umdenken bemerkbar, weshalb der für das Bayerischen Kinderbildungs-
und -betreuungsgesetz zuständige Ressortleiter die Zielsetzung eines weiteren
quantitativen Ausbaus bei gleichbleibend hoher Qualität in Frage stellte und
resümierte, dass beides zugleich nicht zu verwirklichen sei. Indes warnt das
Sozialministerium davor, Standards aufzuheben und bezeichnet den Versuch, noch
mehr Kinder in bestehende Einrichtungen aufzunehmen als Irrweg, der das vorhandene
Personal noch mehr belastet und zu einer zusätzlichen Abwanderung der
Fachkräfte beitragen könnte.
Das bayerische Sozialministerium setzt
daher große Hoffnungen auf die Einrichtung von Brückenangeboten, wie z. B. Spielgruppen
oder Sprachkurse für ukrainische Mütter und deren Kinder und sieht diese
Angebote als Voraussetzung, damit die Geflüchteten in Bayern erst einmal
ankommen und die vorhandenen Strukturen kennenlernen können.
Allerdings dürften die vorgesehenen
Brückenangebote nicht ausreichen, um den zusätzlichen Betreuungsbedarf im
Landkreis decken zu können. Durch
den Rechtskreiswechsel ukrainischer Flüchtlinge in das SGB II wird der Druck
auf die Kommunen zur Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen stark steigen,
weil viele ukrainische Mütter ab 01.06.2022 verstärkt in die Vermittlungs- und
Integrationsbemühungen der Jobcenter einbezogen werden dürften und daher auf
verlässliche und zeitlich längere Kinderbetreuungsmöglichkeiten angewiesen sein
werden.
Durch den unvorhersehbaren Angriffskrieg
Russlands auf die Ukraine entstehen nicht nur den Städten und Gemeinden zusätzliche
Kosten. So gehen beim Kreisjugendamt Ebersberg inzwischen vermehrt Anträge auf
Übernahme von Kinderbetreuungskosten ein und die zusätzlichen Aufgaben verursachen
zum Teil erhebliche Überstunden beim Personal, die in dieser Dimension nicht absehbar
waren.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die
derzeitige Situation das Kreisjugendamt Ebersberg stark belastet. Es ist jedoch
davon auszugehen, dass durch die Hilfe der Gemeinden und der vielen
Netzwerkpartner im Landkreis auch diese Herausforderung gemeistert werden kann.
Auswirkungen auf den Klimaschutz:
Dem Jugendhilfeausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:
Keiner, Kenntnisnahme.
Auswirkung auf den Haushalt:
Aufgrund der Kürze der Zeit konnten noch keine belastbaren Hochrechnungen zu den erwarteten Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge angestellt werden.