Betreff
Situationsbericht zur Kindertagesbetreuung ukrainischer Kinder im Landkreis Ebersberg
Vorlage
2022/0720
Art
Sitzungsvorlage

In den letzten Jahren ist die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz und Zuflucht vor Krieg, Verfolgung und Zerstörung suchten, stark angestiegen. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch immer wieder viele Kinder und Jugendliche. Die überwiegende Mehrzahl trifft in Begleitung ihrer Familie oder anderer Angehöriger in Deutschland ein. Diese Kinder und Jugendlichen werden, anders als unbegleitete minderjährige Ausländer, nicht automatisch von Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe erfasst, da zumeist davon ausgegangen wird, dass ihre Eltern oder Angehörige ihnen Schutz und Fürsorge sowie Orientierung und Sicherheit bieten, die für ein gelingendes Aufwachsen erforderlich sind.

Die Kinder- und Jugendhilfe kennt eine Vielzahl an Hilfen und Maßnahmen, um die zumeist prekäre und belastete Lebenssituation von Flüchtlingskindern und ihren Familien zu erleichtern, wie z. B. die Angebote der Frühen Hilfen oder Kindertageseinrichtungen bzw. die Kindertagespflege. Insbesondere der Besuch einer Kindertageseinrichtung birgt ein großes Potenzial für die Entwicklung, Integration und Teilhabe geflüchteter Kinder. Aktuell befinden sich rund 190 Kinder aus der Ukraine im Alter zwischen einem bis unter sechs Jahren im Landkreis Ebersberg. Spätestens ab September 2022 steht den allermeisten von ihnen ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz zu. Überdies gilt es rund 500 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 17 Jahren in das Schulsystem zu integrieren. 

Das Kreisjugendamt Ebersberg ist sich seiner Verantwortung für diesen Personenkreis bewusst. Im Rahmen seiner personellen Ressourcen versucht es daher alle ukrainischen Familien im Landkreis zeitnah aufzusuchen. Dabei prüfen die Fachkräfte des Kreisjugendamtes Ebersberg die Lebensbedingungen vor Ort und klären den individuellen Unterstützungsbedarf ab. Den Müttern der rund 90 ukrainischen Kleinkinder im Alter zwischen null bis drei Jahren werden, zusammen mit einem Willkommensgeschenk, die speziellen Angebote in ihrer jeweiligen Wohnortgemeinde sowie alle gemeindeübergreifenden Angebote im Landkreis Ebersberg unterbreitet. Sollte das Kind bzw. der Jugendliche nicht mit seinen Eltern eingereist sein, wird darüber hinaus der Wille der Sorgeberechtigten erfragt und eine Pflegeerlaubnis nach § 44 Sozialgesetzbuch-Achtes Buch (SGB VIII) ausgestellt. Sofern Kinder und Jugendliche gänzlich ohne Begleitung sind, werden sie in Obhut genommen und in eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder bei einer Pflegefamilie untergebracht.

Aus Sicht des Kreisjugendamtes Ebersberg ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine nicht nur Sicherheit und Stabilität zu bieten, sondern ihnen auch eine Perspektive zu eröffnen. Es muss daher Ziel sein, ukrainische Kinder und Jugendliche rasch in unsere Kitas und Schulen zu integrieren und sie mit ergänzenden Angeboten aus ihrem Heimatland zu versorgen. Dabei gilt es eine gute Balance zu finden zwischen der Integration in unsere Gesellschaft und der Bewahrung ihrer ukrainischen Identität.

Um dies zu erreichen, berät das Kreisjugendamt Ebersberg die Landkreisgemeinden hinsichtlich der Schaffung zusätzlicher Betreuungsangebote, vernetzt interessierte Anbieter und Unterstützer und fördert die interkommunale Zusammenarbeit zur Sicherstellung des Rechtsanspruchs. Eines machen die bisherigen Erfahrungen aber jetzt schon klar: die Schaffung von Betreuungsangeboten für die ukrainischen Kinder braucht vor allem ausreichendes Personal und Zeit!

Nachdem aber nach zwei Jahren der Corona-Pandemie die Personaldecke in vielen Betreuungseinrichtungen sehr dünn geworden ist, reicht in vielen Einrichtungen bereits der Ausfall einer einzigen Fachkraft, um ein gesichertes Betreuungsangebot ins Wanken zu bringen. Die Erschöpfung und Belastung des erzieherischen Personals ist nach den beiden Jahren im Krisenmodus so groß, dass Fachkräfte in Erwartung leichterer Arbeitsbedingungen in andere Berufszweige abwandern und damit den Fachkräftemangel zusätzlich vergrößern. Zur Wahrheit gehört deshalb auch, dass diese Herausforderung mit dem gegenwärtig in der frühkindlichen Bildung vorhandenen Personal nur schwerlich zu meistern sein wird. Das Kreisjugendamt Ebersberg versucht daher an dieser Stelle bei den übergeordneten Behörden ein Umdenken zu erwirken, um möglichst pragmatisch und schnell ausreichend Betreuungsplätze schaffen zu können.

Im bayerischen Sozialministerium macht sich mittlerweile ein Umdenken bemerkbar, weshalb der für das Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz zuständige Ressortleiter die Zielsetzung eines weiteren quantitativen Ausbaus bei gleichbleibend hoher Qualität in Frage stellte und resümierte, dass beides zugleich nicht zu verwirklichen sei. Indes warnt das Sozialministerium davor, Standards aufzuheben und bezeichnet den Versuch, noch mehr Kinder in bestehende Einrichtungen aufzunehmen als Irrweg, der das vorhandene Personal noch mehr belastet und zu einer zusätzlichen Abwanderung der Fachkräfte beitragen könnte.

Das bayerische Sozialministerium setzt daher große Hoffnungen auf die Einrichtung von Brückenangeboten, wie z. B. Spielgruppen oder Sprachkurse für ukrainische Mütter und deren Kinder und sieht diese Angebote als Voraussetzung, damit die Geflüchteten in Bayern erst einmal ankommen und die vorhandenen Strukturen kennenlernen können.

Allerdings dürften die vorgesehenen Brückenangebote nicht ausreichen, um den zusätzlichen Betreuungsbedarf im Landkreis decken zu können. Durch den Rechtskreiswechsel ukrainischer Flüchtlinge in das SGB II wird der Druck auf die Kommunen zur Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen stark steigen, weil viele ukrainische Mütter ab 01.06.2022 verstärkt in die Vermittlungs- und Integrationsbemühungen der Jobcenter einbezogen werden dürften und daher auf verlässliche und zeitlich längere Kinderbetreuungsmöglichkeiten angewiesen sein werden.

Durch den unvorhersehbaren Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine entstehen nicht nur den Städten und Gemeinden zusätzliche Kosten. So gehen beim Kreisjugendamt Ebersberg inzwischen vermehrt Anträge auf Übernahme von Kinderbetreuungskosten ein und die zusätzlichen Aufgaben verursachen zum Teil erhebliche Überstunden beim Personal, die in dieser Dimension nicht absehbar waren.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass die derzeitige Situation das Kreisjugendamt Ebersberg stark belastet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch die Hilfe der Gemeinden und der vielen Netzwerkpartner im Landkreis auch diese Herausforderung gemeistert werden kann.

Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

                                                                       ja, positiv

                                                                       ja, negativ

                                                                       nein

Dem Jugendhilfeausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

Keiner, Kenntnisnahme.

Auswirkung auf den Haushalt:

Aufgrund der Kürze der Zeit konnten noch keine belastbaren Hochrechnungen zu den erwarteten Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge angestellt werden.