Betreff
Schriftverkehr im Landratsamt Ebersberg - Maßnahme gegen das Gendern; Antrag der AfD-Kreistagsfraktion vom 21.11.2022
Vorlage
2022/0841
Art
Sitzungsvorlage

1. Antrag vom 21.11.2022

 

Unter dem Datum des 21.11.2022 stellte Herr Kreisrat Manfred Schmidt (AfD) folgenden Antrag:

 

„Im gesamten Schriftverkehr des Landkreises sowie in seinen Verlautbarungen oder sonstigen Veröffentlichungen wird ab sofort die sog. Gendersprache einschließlich der „Gender-Sternchen“ und ähnlichem nicht mehr verwendet.

 

Maßgebend für den Gebrauch der Amtssprache sind einzig und allein die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung.“

 

Der Antrag wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Amtssprache deutsch ist.

 

 

2. Stellungnahme der Verwaltung

 

Zunächst losgelöst von Empfehlungen hinsichtlich der Verwendung der Gender-Sprache, wird diese nachfolgend sowohl sprachwissenschaftlich als auch rechtswissenschaftlich durchleuchtet.

 

a) Grammatikalisches und biologisches Geschlecht

 

In der deutschen Sprache besitzen Substantive ein grammatikalisches Geschlecht (genus):

 

- der Löffel (Maskulinum)

- die Mauer (Femininum)

- das Haus (Neutrum)

 

Neben diesem grammatikalischen Geschlecht haben Lebewesen darüber hinaus auch ein natürliches, d.h. biologisches Geschlecht (sexus). Das grammatikalische Geschlecht hat überhaupt nichts mit dem natürlichen Geschlecht zu tun.[1] Obwohl es „der Mäusebussard“ heißt, sind noch lange nicht alle Mäusebussarde männlich. Gleichermaßen sind nicht alle Schlangen weiblich, obwohl es „die Schlange“ heißt. In manchen Fällen existiert darüber hinaus sowohl eine gebräuchliche Form für die Bezeichnung des weiblichen als auch des männlichen Geschlechts. So gibt es einen männlichen Mieter und eine weibliche Mieterin.[2]

 

b) Möglichkeiten der Gender-Sprache

 

Um geschlechtsbezogene Benachteiligungen durch Verwendung der Sprache zu vermeiden, finden sich mittlerweile verschiedene Varianten der Gender-Sprache, d.h. der geschlechtsneutralen Bezeichnung.[3] Davon wird mittlerweile insbesondere auch Gebrauch gemacht, um Personen sprachlich nicht auszugrenzen, die sich dem binären Geschlechtsmodell nicht zugehörig fühlen (Stichworte: männlich, weiblich, divers).[4]

 

- Eine Möglichkeit der Gender-Sprache besteht darin, die maskulinen oder femininen Bezeichnungen möglichst durch neutrale Umformungen zu ersetzen (z.B. nicht die Leiterin oder der Leiter, sondern die Leitung).

 

- Eine andere Variante besteht in der Bildung von Doppelungen oder Paaren (z.B. die Leiterinnen und Leiter).

 

- Auch die Verwendung von Schrägstrichen und Trennstrichen ist üblich (z.B. Leiter/-innen).

 

- Weniger gebräuchlich ist die Verwendung eines sog. „Binnen-I“ (z.B. LeiterInnen).

 

- Vereinzelt wird aktuell auch das Asterisk, das sog. „Gender-Sternchen“ verwendet (z.B. Leiter*innen)

 

- Daneben existiert auch die Verwendung eines Unterstrichs (z.B. Leiter_innen) oder eines Doppelpunktes (z.B. Leiter:innen).

 

- Jüngst findet sich zudem die Verwendung substantivierter Partizipien (z.B. Leitende).

 

3. Gender-Sprache im privaten und im dienstlichen Sprachgebrauch

 

Will man Empfehlungen für den Gebrauch der Gender-Sprache geben, muss hierbei jedenfalls unterschieden werden zwischen dem privaten Sprachgebrauch und dem Sprachgebrauch im dienstlichen Kontext.

 

a) Privater Sprachgebrauch

 

Im privaten Sprachgebrauch kann sich jeder Bürger frei entscheiden, ob er die Möglichkeiten der Gender-Sprache nutzt und falls ja, welche Variante er gebraucht. Der Staat darf den Bürgern weder in die eine noch in die andere Richtung Vorgaben machen. Diese Tatsache ergibt sich zum einen aus der grundsätzlichen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft.[5] Zum anderen stehen einer staatlichen Vorgabe für den privaten Sprachgebrauch verfassungsrechtliche Hemmnisse in Gestalt der Grundrechte des Grundgesetzes entgegen (z.B. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG; Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).[6]

 

b) Dienstlicher Sprachgebrauch

 

Differenziert ist dies jedoch im Bereich des dienstlichen Sprachgebrauchs innerhalb der öffentlichen Verwaltung zu sehen. Jeder Amtswalter hat hierbei die deutsche Amtssprache (Art. 23 VwVfG) zu gebrauchen. Hintergrund dafür ist die unbedingte Notwendigkeit der Einheitlichkeit von dienstlicher Kommunikation untereinander und mit Bürgern. Die Bürger müssen die von den Behörden verwendete Sprache verstehen.[7] Bei tiefergehender Betrachtung muss die Beurteilung, was deutsche Sprache ist, auch sprachwissenschaftlich vorgenommen werden.[8]

 

aa) Neutrale Umformung, Doppelung oder Paare, Schrägstriche und Trennstriche

 

Dies vorausgeschickt, wird man im Bereich der öffentlichen Verwaltung eine Gender-Sprache durch die Varianten der neutralen Umformung, der Bildung von Doppelungen oder Paaren sowie der Verwendung von Schrägstrichen und Trennstrichen für zulässig halten können. All diese Varianten sind aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers ohne Weiteres verständlich und entsprechen allgemein anerkannten Regelungen der deutschen Sprache.

 

bb) Substantivierte Partizipien

 

Im Hinblick auf die Verwendung substantivierter Partizipien gilt jedoch, dass deren Verwendung zur Erreichung geschlechtsneutraler Sprache sprachwissenschaftlich betrachtet falsch ist. Durch die Bildung einer solchen Sprachkonstruktion wird nämlich keine geschlechtsneutrale Bezeichnung erreicht, sondern vielmehr eine Person beschrieben, die aktuell das umgeformte Verb „macht“ oder „tut“, die Tätigkeit also gerade ausführt. „Leitende“ sind dementsprechend Personen, die momentan gerade leiten. „Studierende“ sind Personen, die gerade studieren und „Mitarbeitende“ sind Personen, die gerade mitarbeiten. Ganz besonders deutlich wird die Falschheit der Verwendung dieser Sprachkonstruktion am Beispiel der Busfahrerin oder des Busfahrers. Diese Personen sind sprachlich betrachtet nur dann Busfahrende, wenn sie den Bus gerade lenken. Zu Missverständnissen kann es insoweit auch deshalb kommen, weil mit der Bezeichnung Busfahrende auch die Passagiere des Busses gemeint sein könnten. Zur Verdeutlichung der Geschlechtsneutralität taugt die Verwendung des substantivierten Partizips jedenfalls nicht.[9]

 

cc) Unterstrich oder Doppelpunkt

 

Gleichermaßen verhält es sich im Hinblick auf die Verwendung eines Unterstrichs oder eines Doppelpunktes. Diese Formen des Versuchs einer geschlechtsneutralen Formulierung führen bei lebensnaher Betrachtung dazu, dass nicht mehr alle Bürger wissen, was gemeint ist.[10]

 

dd) „Binnen-I“ und Asterisk oder „Gender-Sternchen“

 

Stets geachtet werden muss zudem darauf, dass die Exekutive zur Neutralität verpflichtet ist. Ganz besonders gilt dies für Neutralität in parteipolitischer Hinsicht.[11] Kann das Gendern als Bejahung oder Ablehnung einer bestimmten politischen Sichtweise verstanden werden, wird jenes zunehmend problematisch. Die Verwendung des „Binnen-I“ wurde in den 1980er durch Verwendung der „Tageszeitung“ („TAZ“) bekannt, die zweifelsohne dem linken politischen Spektrum zuzurechnen ist.[12] Das Asterisk oder „Gender-Sternchen“ kennzeichnet die von der Partei Bündnis 90/Die Grünen seit dem Parteitagsbeschluss vom 22.11.2015 verwendete Gender-Variante.[13] In Anbetracht der überwiegenden Verwendung dieser beiden Gender-Varianten durch das linke bzw. grüne politische Spektrum wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertreten, dass eine entsprechende Verwendung seitens der öffentlichen Verwaltung mit dem Neutralitätsgebot nicht zu vereinbaren und daher nicht zulässig sei. In konsequenter Fortführung dieser Sichtweise würden Beamte bei dienstlicher Verwendung des „Binnen-I“ oder des „Gender-Sternchens“ derzeit gegen ihre Neutralitätspflicht aus § 33 BeamtStG und § 60 BBG verstoßen.[14]

 

ee) Bewertung

 

Unabhängig davon, ob man bei der juristischen Bewertung so weit gehen will, dass Beamte bei Verwendung bestimmter Gender-Varianten gegen ihre Dienstpflicht verstoßen würden, muss jedoch bereits in Frage gestellt werden, ob die Verwendung von Unterstrich, Doppelpunkt, „Binnen-I“ oder Asterisk („Gender-Sternchen“) überhaupt noch der Amtssprache Deutsch entspricht. Dies ist nicht der Fall. Auch der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Aufnahme dieser Gender-Varianten in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung nicht empfohlen.[15] Meinungsumfragen aus jüngerer Vergangenheit zeugen zudem ohnehin davon, dass die Verwendung dieser Form der Gender-Sprache von der Mehrheit der Bürger abgelehnt wird.[16]

 

4. Schlussfolgerungen für die öffentliche Verwaltung

 

Für den dienstlichen Sprachgebrauch seitens der öffentlichen Verwaltung empfiehlt es sich daher bei Verwendung der Gender-Sprache die Varianten der neutralen Umformung, der Bildung von Doppelungen oder Paaren sowie der Verwendung von Schrägstrichen und Trennstrichen zu gebrauchen. Die Ausführungen oben vorausgesetzt, bewegen sich die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung auch unabhängig von politischen Verhältnissen dann im absolut zulässigen rechtlichen Rahmen.

 

Abgesehen werden sollte hingegen von der Verwendung substantivierter Partizipien, Unterstrichen oder Doppelpunkten. Gleichermaßen sollte aufgrund der Neutralitätsverpflichtung auch die Verwendung des „Binnen-I“ und des Asterisk („Gender-Sternchens“) vermieden werden.

 



[1] Zuck, NJW 1994, 2808 (2808 f.); Walter, Kleine Stilkunde für Juristen, 3. Aufl. 2017, S. 233; Kowalski, NJW 2020, 2229 (2233); Ullrich, DVBl 2022, 69 (72).

[2] Im Ergebnis ebenso: Ullrich, DVBl 2022, 69 (72).

[3] Hierzu ausführlich: Ullrich, DVBl 2022, 69 (73); vgl. auch Kühn in Kriminalistik 2022, 339.

[4] Ähnlich: Kühn in Kriminalistik 2022, 339.

[5] Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001; Rupp, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2004, § 31; Ullrich, DVBl. 2022, 69 (70).

[6] Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2004, § 20 Rdnr. 111; Mäder, JuS 2000, 1150 (1151); Ullrich DVBl 2022, 69 (70).

[7] BeckOK VwVfG/Heßhaus, 57. Ed. 1.10.2022, VwVfG § 23 Rn. 5; Ullrich, DVBl, 2022, 69 (71).

[8] Ullrich, DVBl, 2022, 69 (70) m.w.N.

[9] Kühn in Kriminalistik 2022, 339, der provokant auch das Beispiel des Vergewaltigers und der Vergewaltigerin als geschlechtsneutrale „Vergewaltigende“ benutzt.

[10] Jedenfalls die über 80 Jahre alten Großeltern des Erstellers dieser Sitzungsvorlage erkennen in einem solchen Fall nicht mehr, was eigentlich ausgesagt werden soll.

[11] Seybold, DÖV 2020, 977 (984); ausführlich: Ullrich, DVBl 2022, 69 (71 f.; 73); a.A. wohl Petzold und Chen in NJOZ 2022, 225, die offenbar rechtsirrig der Ansicht sind, dass sich die Frage nach der Zulässigkeit der Gender-Sprache in der öffentlichen Verwaltung nach den politischen Verhältnissen bestimmen würde.

[12] Ullrich, DVBl 2022, 69 (73).

[13] Rheinische Post, http://rp-online.de/politik/deutschland/die-gruenen-gendern-jetzt-mit-sternchen_aid-20539407 (Letzter Zugriff: 22.11.2022, 10:41 Uhr); vgl. auch Ullrich, DVBl 2022, 69 (73).

[14] Ullrich, DVBl 2022, 69 (74).

[15] Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlung vom 26.03.2021: https://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_PM_2021-03-26_Geschlechtergerechte_Schreibung.pdf (Letzter Zugriff: 22.11.2022, 11:05 Uhr).

[16] Umfrage Infratest Dimap Mai 2021: https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/vorbehalte-gegenueber-genderneutraler-sprache/  (Letzter Zugriff: 22.11.2022, 10:42 Uhr); Umfrage Forsa Mai 2021: https:/www.rtl.de/cms/rtl-forsa-umfrage-zum-gendern-mehrheit-der-deutschen-findet-das-thema-unwichtig-4770234.html  (Letzter Zugriff: 22.11.2022, 10:44 Uhr).

Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

                                                                       ja, positiv

                                                                       ja, negativ

                                                                       nein

Dem Kreis- und Strategieausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

Dem Kreistag wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

Abstimmung über den Antrag.

Vorschlag der Verwaltung:

 

Keine Beschlussfassung; die Fragestellung betrifft einzig und allein die innere Organisationsbefugnis des Landrats als Behördenleiter.

Auswirkung auf den Haushalt:

 

keine