Rechtliche Ausgangslage
Das Gesetz zur ganztägigen
Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG)
beinhaltet die stufenweise Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung
für Kinder im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/2027. Zunächst soll der
Anspruch für alle Kinder der ersten Klassenstufe gelten. Der Anspruch soll in
den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden, sodass ab August
2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige
Betreuung hat. Der Rechtsanspruch wird in § 24 Abs. 4 Sozialgesetzbuch-Achtes
Buch (SGB VIII) geregelt und sieht einen Betreuungsumfang von acht Stunden an
allen fünf Werktagen vor. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der
Rechtsanspruch soll auch in den Ferien gelten. Dabei können die Länder eine
Schließzeit von bis zu maximal 20 Schließtagen regeln. Eine Pflicht, das
Angebot in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht.
Rechtsanspruchserfüllende
Angebote
Die Voraussetzungen, unter
denen der Rechtsanspruch erfüllt ist, ergeben sich in erster Linie aus dem
GaFöG. Danach gilt für rechtsanspruchserfüllende Angebote grundsätzlich die
Erlaubnispflicht nach § 45 SGB VIII. Davon besteht nach § 45 Absatz 1 Satz 2
Nummer 3 SGB VIII eine Ausnahme, wenn eine entsprechende gesetzliche Aufsicht
besteht. Hierzu zählt insbesondere die Schulaufsicht. Demzufolge sind auch
Mittagsbetreuungen unter Schulaufsicht grundsätzlich zur
Rechtsanspruchserfüllung geeignet, sofern
sie bei Bedarf an fünf Wochentagen sowie grundsätzlich bis 16 Uhr angeboten
werden und an maximal 20 Tagen geschlossen bleiben. Für die
Mittagsbetreuung, wie auch für die offenen und gebundenen schulischen
Ganztagsangebote gilt, dass durch sie der Rechtsanspruch im Umfang der
Teilnahme erfüllt ist. Daneben zählen Tageseinrichtungen mit Betriebserlaubnis
im Umfang der Teilnahme am Unterricht sowie Angebote von Ganztagsgrundschulen
(ganztägig betriebene Grundschulen) als rechtsanspruchserfüllend.
Unter Berücksichtigung
dieser Voraussetzungen dürfen nach derzeitigem Stand folgende ganztägige
Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder im Grundschulalter als
rechtsanspruchserfüllend angesehen werden:
Ø Schulkindbetreuung im
Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe (nach BayKiBiG gefördert: Horte, Häuser für
Kinder, altersgeöffnete Kindergärten, Mini-Kita).
Ø Schulische Ganztagsangebote
(Angebot in Verantwortung der Schulleitung und unter schulischer Aufsicht.
Formen: Gebundener Ganztag, offener Ganztag).
Ø Mittagsbetreuung
(unter Schulaufsicht, nicht in Verantwortung der Schulleitung, Möglichkeit der
„verlängerten Mittagsbetreuung“).
Neben den bereits bekannten Formen der Ganztagsbetreuung
steht den Kommunen mit den Kombieinrichtungen
(auch „Kooperativer Ganztag“ oder kurz „KoGa“) eine zusätzliche Option für
die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern zur Verfügung, der die bestehende
Angebotspalette (Schulkindbetreuung, Schulische Ganztagsangebote und
Mittagsbetreuung) um eine weitere Form der Grundschulkindbetreuung in Bayern ergänzt.
In einer Kombieinrichtung
arbeiten Schule und Kinder- und Jugendhilfe eng zusammen; es entsteht ein
„kooperativer Ganztag“. Die beiden Bereiche werden räumlich (gemeinsame Nutzung
eines Gebäudes, sog. „Bildungscampus“) und konzeptionell (gemeinsames
pädagogisches Konzept von Schule und Kinder- und Jugendhilfe) miteinander
verzahnt. Kombieinrichtungen sind im Gegensatz zu Horten und Häusern für Kinder
etc. bisher noch nicht als Einrichtungsform im Bayerischen Kinderbildungs- und
-betreuungsgesetz (BayKiBiG) gesetzlich verankert. Sie werden deshalb über die
sog. „Experimentierklausel“ in Art. 31 BayKiBiG ermöglicht. Zur Errichtung der
Kombieinrichtung ist der Abschluss eines dreiseitigen Vertrags (vgl. Anlage 1 Muster-Kooperationsvertrag)
zwischen der Kommune, dem Familienministerium und dem Kultusministerium nötig.
Damit können diese Einrichtungen auch über das BayKiBiG gefördert werden.
Nachdem es sich
bei Kombieinrichtungen um eine Verbindung von Schule und Tageseinrichtung der
Kinder- und Jugendhilfe handelt, benötigen sie sowohl eine Betriebserlaubnis
gem. § 45 SGB VIII für die Bereiche, die (auch) durch den
Ganztagskooperationspartner genutzt werden, als auch eine schulaufsichtliche
Genehmigung nach § 4 SchulbauV für die (ausschließlich) schulisch genutzten
Bereiche. Das gemeinsam durch Schulleitung und Ganztagskooperationspartner zu
erstellende Raumkonzept gibt über die Nutzung der Bereiche Aufschluss.
Die Befugnisse der
Kindertagesstättenaufsicht zur Prüfung im Rahmen der Betriebserlaubnis und des
Staatlichen Schulamts im Rahmen der schulaufsichtliche Genehmigung bleiben vom
Abschluss des Kooperationsvertrags zwischen Kommune, Kultus- und
Familienministerium unberührt. Der Abschluss
des Kooperationsvertrags enthält insbesondere keine Vorwegfestlegung
auf Erteilung der Betriebserlaubnis bzw. der schulaufsichtlichen
Genehmigung.
Kombieinrichtungen sind
konzeptionell uneingeschränkt geeignet, den künftigen Rechtsanspruch auf
Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter zu erfüllen. Durch den Kooperationspartner
wird die Nachmittags-, Randzeiten- und Ferienbetreuung auf Hortniveau
sichergestellt. Ab dem Schuljahr 2026/27 müssen die Schließzeiten auf
maximal vier Wochen in den Ferien angepasst werden (derzeit Schließzeit von
maximal 30 Tagen möglich, Art. 21 Abs. 4 BayKiBiG).
Der Kooperative Ganztag kann
als flexible und als rhythmisierte Variante angeboten werden.
In der flexiblen Variante werden die Kinder im
Anschluss an die Halbtagsgrundschule durch den Ganztagskooperationspartner
betreut. In der rhythmisierten Variante besuchen die Kinder eine gebundene
Ganztagsklasse und können für die Randzeiten (insbesondere Freitagnachmittag)
und in den Ferien die Angebote des Ganztagskooperationspartners buchen. In
einer Einrichtung können auch beide Varianten nebeneinander bestehen.
Für die Betriebskosten des Ganztagskooperationspartners
wird die reguläre kindbezogene gesetzliche Förderung nach dem BayKiBiG gewährt.
Die Höhe ist damit u.a. abhängig von den tatsächlichen Buchungszeiten des
Kindes – wie auch bei allen anderen Einrichtungen nach dem BayKiBiG. Die
Kommune muss also prüfen, ob sie ein eventuell entstehendes Defizit trägt.
Der Anspruch auf Betriebskostenförderung setzt auch bei
Kombieinrichtungen voraus, dass Elternbeiträge erhoben werden (Art. 19
BayKiBiG). Um mehr Flexibilität bei der Buchung zu ermöglichen, müssen in
Kombieinrichtungen aber die Elternbeiträge nicht streng nach Stundenkategorien
gestaffelt werden.
Personal
Hinsichtlich des
Personaleinsatzes in der Mittagsbetreuung bezieht sich das StMAS auf die Ziffer
4.2 der Bekanntmachung des Kultusministeriums zur Mittagsbetreuung und
verlängerten Mittagsbetreuung an Grund- und Förderschulen in der Fassung vom
26. April 2021 (vgl. Anlage 2), wonach das dort beschäftigte Personal weiter eingesetzt
werden kann.
Dessen ungeachtet ist die
generelle Personalsituation zur Erfüllung des Ganztagsanspruchs als äußerst
kritisch einzustufen, nachdem es insgesamt zu wenig Erzieherinnen und Erzieher gibt
und sich die Personalsituation in den vergangenen Jahren durch den Ausbau der
Bildungs- und Betreuungsangebote bei den unter Dreijährigen und zuletzt
aufgrund der Nachwirkungen der Coronakrise deutlich verschärft hat. Der
Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz wird die angespannte Personalsituation dramatisch
zuspitzen und voraussichtlich zu sog. „Kannibalisierungseffekten“ unter den
Einrichtungen innerhalb der Metropolregion München führen.
Insbesondere dürfte es den
schulischen Ganztagseinrichtungen und hier insbesondere den offenen
Ganztagsschulen schwerfallen, ausreichendes Personal zu gewinnen. Neben einem
im Vergleich zum Kita-Bereich deutlich geringerem Angebot an Vollzeitstellen
dürfte vor allem die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgrund
des zwingenden Einsatzes im Nachmittagsbereich erhebliche Probleme bei der
Fachkräftegewinnung bereiten.
Ein weiteres Problem stellt
der Mangel an Lehrkräften an den Fachschulen dar, der dazu führt, dass die
Fachschulen immer länger benötigen, um ihre Vakanzen mit nachrückenden Lehrerinnen
und Lehrern zu besetzen, die dann wiederum die Studierenden zu Erzieherinnen und
Erziehern ausbilden können. Es dürfte deshalb zu kurz gedacht sein, nur die
Fachschulen auszubauen oder neue zu planen, um mehr Ausbildungsplätze anbieten
zu können. Vielmehr müssen auch die
erforderlichen Ausbildungsstrukturen aufgebaut werden, mit Ausbildungswegen,
die einerseits die erforderliche Qualität erbringen können und dementsprechend
über das notwendige Personal, wie Lehrkräfte und auch Praxisbegleiterinnen und
Praxisbegleiter verfügen. Andererseits sind auch die Ausbildungsbedingungen
attraktiv zu gestalten, hierzu zählen etwa Ausbildungsverträge oder auch
Vergütungen. Damit steigen die Chancen, dass mehr Menschen für dieses
Berufsfeld gewonnen werden können. Schließlich muss auch die Bindung der
Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen gezielt sowie kontinuierlich
unterstützt werden. Zukünftig sollten auch die Fachkräfte selbst bei der Frage,
wie aus ihrer Sicht attraktive Arbeitsbedingungen gestaltet sein müssen,
maßgeblich beteiligt werden. Letztlich muss die Attraktivität des gesamten
Berufszweiges gesteigert werden, um hier eine grundlegende Änderung der
Personalsituation erreichen zu können.
Damit kurzfristig der "Kollaps" des KiTa-Systems verhindert
wird, erscheint es auch notwendig, Maßnahmen zu diskutieren und zu ergreifen,
die bislang kaum als Handlungsoptionen ins Auge gefasst wurden. So schlägt der
Verband Kita-Fachkräfte Bayern vor, beim KiTa-Rechtsanspruch die
Betreuungszeiten zu begrenzen, beispielsweise auf sechs Stunden. Aus
familienpolitischer Sicht regen sie an, über eine Erhöhung des bayerischen
Familiengeldes nachzudenken, um beispielsweise Familien zu unterstützen, wenn
sie ihr Kind später in die KiTa geben oder aber kürzere Betreuungszeiten
nutzen.
Bedarfsplanung und
Planungsverantwortung
Rechtsgrundlagen für die
Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten im Bereich der Bedarfsplanung finden
sich im Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter
(Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG), im Sozialgesetzbuch-Achtes Buch Kinder- und
Jugendhilfe (SGB VIII), im Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG), im
Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) und im Bayerischen
Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG).
Die Wahrnehmung der
Planungsverantwortung für Aufgaben nach dem SGB VIII erfolgt nach den §§ 79, 80
SGB VIII im Rahmen der Jugendhilfeplanung. Demzufolge übernimmt der Träger der öffentlichen
Jugendhilfe die Gesamt- und Planungsverantwortung dafür, dass rechtzeitig zum
01.08.2026 ein ausreichendes und
bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen gemäß den gesetzlichen Vorgaben
geschaffen wird.
Örtliche Träger der
öffentlichen Jugendhilfe in Bayern sind die Landkreise und kreisfreien Gemeinden
(§ 69 Abs. 1 SGB VIII, Art. 15 AGSG). Wahrgenommen werden die Aufgaben der
örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch die Jugendämter (§ 69 Abs.
3 SGB VIII, Art. 16 Abs. 1 AGSG). Weiter gelten die Regelungen der Art. 5 bis 8
BayKiBiG.
Für die örtliche
Bedarfsplanung sind die einzelnen Gemeinden nach Art. 7 BayKiBiG zuständig.
Auch im Bereich der schulischen Angebote ist durch Art. 6 Abs. 4 BayEUG geregelt,
dass die Planungen zu Ganztagsangeboten im Benehmen mit den Trägern der
öffentlichen Jugendhilfe zu erfolgen haben, die Beantragung erfolgt durch den
Schulaufwandsträger. Durch diese Konstruktion, die in Landkreisen eine
Wechselbeziehung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden in sich trägt,
wird unmittelbar deutlich, dass die Bedarfsplanung einen ständigen
Abstimmungsprozess erfordert.
Den Landkreisen obliegt es,
die Art der Arbeitsteilung festzulegen und zu entscheiden, auf welche Weise die
einzelnen Bausteine der Bedarfsplanung aufeinander abgestimmt werden und welche
Arbeitsteilung und Kommunikationswege hier gewählt werden.
Praktische Umsetzung
Wie die Umsetzung des Ganztagsanspruchs im Landkreis Ebersberg geplant und praktisch vorangetrieben wird, erläutern die Jugendhilfeplanerin, Frau Karolina Pfont, und der Leiter des Kreisjugendamtes Ebersberg, Herr Florian Robida, in der Sitzung anhand einer Präsentation.
Auswirkungen auf den Klimaschutz:
Dem Jugendhilfeausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:
Keiner, Kenntnisnahme.
Auswirkung auf den Haushalt:
Die Einführung des
Rechtsanspruchs auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich geht mit einem
deutlichen Anstieg an Einrichtungen einher, die einer fachlichen Beratung und
Unterstützung sowie einer konzeptionellen Begleitung bedürfen und hinsichtlich
der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung zur Stärkung der frühkindlichen
Bildung und Erziehung auch laufend beaufsichtigt werden müssen.
Zum jetzigen Zeitpunkt geht
der Fachbereich Kindertagesstättenaufsicht von einer Steigerung um 0,5 bis 1,0 Vollzeitäquivalente
aus. Die hierfür anfallenden Personalmehrkosten belaufen sich auf rund 35.000
Euro bis 70.000 Euro jährlich.