Betreff
Änderung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes; Umsetzung des Ganztagsanspruches ab 01.08.2026
Vorlage
2023/0938
Art
Sitzungsvorlage

Rechtliche Ausgangslage

 

Das Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG) beinhaltet die stufenweise Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung für Kinder im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/2027. Zunächst soll der Anspruch für alle Kinder der ersten Klassenstufe gelten. Der Anspruch soll in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden, sodass ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung hat. Der Rechtsanspruch wird in § 24 Abs. 4 Sozialgesetzbuch-Achtes Buch (SGB VIII) geregelt und sieht einen Betreuungsumfang von acht Stunden an allen fünf Werktagen vor. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der Rechtsanspruch soll auch in den Ferien gelten. Dabei können die Länder eine Schließzeit von bis zu maximal 20 Schließtagen regeln. Eine Pflicht, das Angebot in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht.

 

Rechtsanspruchserfüllende Angebote

 

Die Voraussetzungen, unter denen der Rechtsanspruch erfüllt ist, ergeben sich in erster Linie aus dem GaFöG. Danach gilt für rechtsanspruchserfüllende Angebote grundsätzlich die Erlaubnispflicht nach § 45 SGB VIII. Davon besteht nach § 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB VIII eine Ausnahme, wenn eine entsprechende gesetzliche Aufsicht besteht. Hierzu zählt insbesondere die Schulaufsicht. Demzufolge sind auch Mittagsbetreuungen unter Schulaufsicht grundsätzlich zur Rechtsanspruchserfüllung geeignet, sofern sie bei Bedarf an fünf Wochentagen sowie grundsätzlich bis 16 Uhr angeboten werden und an maximal 20 Tagen geschlossen bleiben. Für die Mittagsbetreuung, wie auch für die offenen und gebundenen schulischen Ganztagsangebote gilt, dass durch sie der Rechtsanspruch im Umfang der Teilnahme erfüllt ist. Daneben zählen Tageseinrichtungen mit Betriebserlaubnis im Umfang der Teilnahme am Unterricht sowie Angebote von Ganztagsgrundschulen (ganztägig betriebene Grundschulen) als rechtsanspruchserfüllend.

 

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen dürfen nach derzeitigem Stand folgende ganztägige Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder im Grundschulalter als rechtsanspruchserfüllend angesehen werden:

 

Ø  Schulkindbetreuung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe (nach BayKiBiG gefördert: Horte, Häuser für Kinder, altersgeöffnete Kindergärten, Mini-Kita).

Ø  Schulische Ganztagsangebote (Angebot in Verantwortung der Schulleitung und unter schulischer Aufsicht. Formen: Gebundener Ganztag, offener Ganztag).

Ø  Mittagsbetreuung (unter Schulaufsicht, nicht in Verantwortung der Schulleitung, Möglichkeit der „verlängerten Mittagsbetreuung“).

 

Neben den bereits bekannten Formen der Ganztagsbetreuung steht den Kommunen mit den Kombieinrichtungen (auch „Kooperativer Ganztag“ oder kurz „KoGa“) eine zusätzliche Option für die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern zur Verfügung, der die bestehende Angebotspalette (Schulkindbetreuung, Schulische Ganztagsangebote und Mittagsbetreuung) um eine weitere Form der Grundschulkindbetreuung in Bayern ergänzt. 

 

In einer Kombieinrichtung arbeiten Schule und Kinder- und Jugendhilfe eng zusammen; es entsteht ein „kooperativer Ganztag“. Die beiden Bereiche werden räumlich (gemeinsame Nutzung eines Gebäudes, sog. „Bildungscampus“) und konzeptionell (gemeinsames pädagogisches Konzept von Schule und Kinder- und Jugendhilfe) miteinander verzahnt. Kombieinrichtungen sind im Gegensatz zu Horten und Häusern für Kinder etc. bisher noch nicht als Einrichtungsform im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) gesetzlich verankert. Sie werden deshalb über die sog. „Experimentierklausel“ in Art. 31 BayKiBiG ermöglicht. Zur Errichtung der Kombieinrichtung ist der Abschluss eines dreiseitigen Vertrags (vgl. Anlage 1 Muster-Kooperationsvertrag) zwischen der Kommune, dem Familienministerium und dem Kultusministerium nötig. Damit können diese Einrichtungen auch über das BayKiBiG gefördert werden.

 

Nachdem es sich bei Kombieinrichtungen um eine Verbindung von Schule und Tageseinrichtung der Kinder- und Jugendhilfe handelt, benötigen sie sowohl eine Betriebserlaubnis gem. § 45 SGB VIII für die Bereiche, die (auch) durch den Ganztagskooperationspartner genutzt werden, als auch eine schulaufsichtliche Genehmigung nach § 4 SchulbauV für die (ausschließlich) schulisch genutzten Bereiche. Das gemeinsam durch Schulleitung und Ganztagskooperationspartner zu erstellende Raumkonzept gibt über die Nutzung der Bereiche Aufschluss.

Die Befugnisse der Kindertagesstättenaufsicht zur Prüfung im Rahmen der Betriebserlaubnis und des Staatlichen Schulamts im Rahmen der schulaufsichtliche Genehmigung bleiben vom Abschluss des Kooperationsvertrags zwischen Kommune, Kultus- und Familienministerium unberührt. Der Abschluss des Kooperationsvertrags enthält insbesondere keine Vorwegfestlegung auf Erteilung der Betriebserlaubnis bzw. der schulaufsichtlichen Genehmigung. 

Kombieinrichtungen sind konzeptionell uneingeschränkt geeignet, den künftigen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter zu erfüllen. Durch den Kooperationspartner wird die Nachmittags-, Randzeiten- und Ferienbetreuung auf Hortniveau sichergestellt. Ab dem Schuljahr 2026/27 müssen die Schließzeiten auf maximal vier Wochen in den Ferien angepasst werden (derzeit Schließzeit von maximal 30 Tagen möglich, Art. 21 Abs. 4 BayKiBiG).

 

Der Kooperative Ganztag kann als flexible und als rhythmisierte Variante angeboten werden. In der flexiblen Variante werden die Kinder im Anschluss an die Halbtagsgrundschule durch den Ganztagskooperationspartner betreut. In der rhythmisierten Variante besuchen die Kinder eine gebundene Ganztagsklasse und können für die Randzeiten (insbesondere Freitagnachmittag) und in den Ferien die Angebote des Ganztagskooperationspartners buchen. In einer Einrichtung können auch beide Varianten nebeneinander bestehen.

 

Für die Betriebskosten des Ganztagskooperationspartners wird die reguläre kindbezogene gesetzliche Förderung nach dem BayKiBiG gewährt. Die Höhe ist damit u.a. abhängig von den tatsächlichen Buchungszeiten des Kindes – wie auch bei allen anderen Einrichtungen nach dem BayKiBiG. Die Kommune muss also prüfen, ob sie ein eventuell entstehendes Defizit trägt.

 

Der Anspruch auf Betriebskostenförderung setzt auch bei Kombieinrichtungen voraus, dass Elternbeiträge erhoben werden (Art. 19 BayKiBiG). Um mehr Flexibilität bei der Buchung zu ermöglichen, müssen in Kombieinrichtungen aber die Elternbeiträge nicht streng nach Stundenkategorien gestaffelt werden.

 

Personal

 

Hinsichtlich des Personaleinsatzes in der Mittagsbetreuung bezieht sich das StMAS auf die Ziffer 4.2 der Bekanntmachung des Kultusministeriums zur Mittagsbetreuung und verlängerten Mittagsbetreuung an Grund- und Förderschulen in der Fassung vom 26. April 2021 (vgl. Anlage 2), wonach das dort beschäftigte Personal weiter eingesetzt werden kann.

 

Dessen ungeachtet ist die generelle Personalsituation zur Erfüllung des Ganztagsanspruchs als äußerst kritisch einzustufen, nachdem es insgesamt zu wenig Erzieherinnen und Erzieher gibt und sich die Personalsituation in den vergangenen Jahren durch den Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote bei den unter Dreijährigen und zuletzt aufgrund der Nachwirkungen der Coronakrise deutlich verschärft hat. Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz wird die angespannte Personalsituation dramatisch zuspitzen und voraussichtlich zu sog. „Kannibalisierungseffekten“ unter den Einrichtungen innerhalb der Metropolregion München führen.

 

Insbesondere dürfte es den schulischen Ganztagseinrichtungen und hier insbesondere den offenen Ganztagsschulen schwerfallen, ausreichendes Personal zu gewinnen. Neben einem im Vergleich zum Kita-Bereich deutlich geringerem Angebot an Vollzeitstellen dürfte vor allem die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgrund des zwingenden Einsatzes im Nachmittagsbereich erhebliche Probleme bei der Fachkräftegewinnung bereiten.

 

Ein weiteres Problem stellt der Mangel an Lehrkräften an den Fachschulen dar, der dazu führt, dass die Fachschulen immer länger benötigen, um ihre Vakanzen mit nachrückenden Lehrerinnen und Lehrern zu besetzen, die dann wiederum die Studierenden zu Erzieherinnen und Erziehern ausbilden können. Es dürfte deshalb zu kurz gedacht sein, nur die Fachschulen auszubauen oder neue zu planen, um mehr Ausbildungsplätze anbieten zu können. Vielmehr müssen auch die erforderlichen Ausbildungsstrukturen aufgebaut werden, mit Ausbildungswegen, die einerseits die erforderliche Qualität erbringen können und dementsprechend über das notwendige Personal, wie Lehrkräfte und auch Praxisbegleiterinnen und Praxisbegleiter verfügen. Andererseits sind auch die Ausbildungsbedingungen attraktiv zu gestalten, hierzu zählen etwa Ausbildungsverträge oder auch Vergütungen. Damit steigen die Chancen, dass mehr Menschen für dieses Berufsfeld gewonnen werden können. Schließlich muss auch die Bindung der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen gezielt sowie kontinuierlich unterstützt werden. Zukünftig sollten auch die Fachkräfte selbst bei der Frage, wie aus ihrer Sicht attraktive Arbeitsbedingungen gestaltet sein müssen, maßgeblich beteiligt werden. Letztlich muss die Attraktivität des gesamten Berufszweiges gesteigert werden, um hier eine grundlegende Änderung der Personalsituation erreichen zu können.

 

Damit kurzfristig der "Kollaps" des KiTa-Systems verhindert wird, erscheint es auch notwendig, Maßnahmen zu diskutieren und zu ergreifen, die bislang kaum als Handlungsoptionen ins Auge gefasst wurden. So schlägt der Verband Kita-Fachkräfte Bayern vor, beim KiTa-Rechtsanspruch die Betreuungszeiten zu begrenzen, beispielsweise auf sechs Stunden. Aus familienpolitischer Sicht regen sie an, über eine Erhöhung des bayerischen Familiengeldes nachzudenken, um beispielsweise Familien zu unterstützen, wenn sie ihr Kind später in die KiTa geben oder aber kürzere Betreuungszeiten nutzen.

 

 

 

Bedarfsplanung und Planungsverantwortung

 

Rechtsgrundlagen für die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten im Bereich der Bedarfsplanung finden sich im Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG), im Sozialgesetzbuch-Achtes Buch Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), im Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG), im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) und im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG).

 

Die Wahrnehmung der Planungsverantwortung für Aufgaben nach dem SGB VIII erfolgt nach den §§ 79, 80 SGB VIII im Rahmen der Jugendhilfeplanung. Demzufolge übernimmt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamt- und Planungsverantwortung dafür, dass rechtzeitig zum 01.08.2026 ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen gemäß den gesetzlichen Vorgaben geschaffen wird.

 

Örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Bayern sind die Landkreise und kreisfreien Gemeinden (§ 69 Abs. 1 SGB VIII, Art. 15 AGSG). Wahrgenommen werden die Aufgaben der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch die Jugendämter (§ 69 Abs. 3 SGB VIII, Art. 16 Abs. 1 AGSG). Weiter gelten die Regelungen der Art. 5 bis 8 BayKiBiG.

 

Für die örtliche Bedarfsplanung sind die einzelnen Gemeinden nach Art. 7 BayKiBiG zuständig. Auch im Bereich der schulischen Angebote ist durch Art. 6 Abs. 4 BayEUG geregelt, dass die Planungen zu Ganztagsangeboten im Benehmen mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu erfolgen haben, die Beantragung erfolgt durch den Schulaufwandsträger. Durch diese Konstruktion, die in Landkreisen eine Wechselbeziehung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden in sich trägt, wird unmittelbar deutlich, dass die Bedarfsplanung einen ständigen Abstimmungsprozess erfordert.

 

Den Landkreisen obliegt es, die Art der Arbeitsteilung festzulegen und zu entscheiden, auf welche Weise die einzelnen Bausteine der Bedarfsplanung aufeinander abgestimmt werden und welche Arbeitsteilung und Kommunikationswege hier gewählt werden.

 

Praktische Umsetzung

 

Wie die Umsetzung des Ganztagsanspruchs im Landkreis Ebersberg geplant und praktisch vorangetrieben wird, erläutern die Jugendhilfeplanerin, Frau Karolina Pfont, und der Leiter des Kreisjugendamtes Ebersberg, Herr Florian Robida, in der Sitzung anhand einer Präsentation.

Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

                                                                       ja, positiv

                                                                       ja, negativ

                                                                       nein

Dem Jugendhilfeausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

 

Keiner, Kenntnisnahme.

Auswirkung auf den Haushalt:

 

Die Einführung des Rechtsanspruchs auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich geht mit einem deutlichen Anstieg an Einrichtungen einher, die einer fachlichen Beratung und Unterstützung sowie einer konzeptionellen Begleitung bedürfen und hinsichtlich der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung zur Stärkung der frühkindlichen Bildung und Erziehung auch laufend beaufsichtigt werden müssen. 

 

Zum jetzigen Zeitpunkt geht der Fachbereich Kindertagesstättenaufsicht von einer Steigerung um 0,5 bis 1,0 Vollzeitäquivalente aus. Die hierfür anfallenden Personalmehrkosten belaufen sich auf rund 35.000 Euro bis 70.000 Euro jährlich.