Betreff
Einführung eines flächendeckenden Pflegekrisendienstes im Landkreis Ebersberg; Prüfantrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion vom 12. November 2022
Vorlage
2023/0852
Art
Sitzungsvorlage

Vorstellung des Pflegekrisendienstes Erding

 

Die Aufgabe des Pflegekrisendienstes im Landkreis Erding besteht darin, eine ambulante, häusliche Behandlungs- und kleine Grundpflege im Sinne einer Krankenhausvermeidungspflege zu leisten sowie haushaltswirtschaftliche Grundleistungen durch qualifiziertes Personal temporär zu erbringen, sofern kein anderer wirtschaftlich oder ehrenamtlich betriebener Dienst hierzu in der Lage ist. Es handelt sich um eine Art Notversorgung, die auf maximal fünf Einsatztage begrenzt ist und somit keinen Ersatz für eine grundlegende ambulante oder stationäre Pflege darstellt.

 

Der besondere Vorteil des Pflegekrisendienstes liegt in der schnellen, unkomplizierten und vor allem unbürokratischen medizinischen Unterstützung bei Pflegeproblemen. Eine ärztliche Verordnung oder Antragstellung bei der Kranken- oder Pflegekasse ist nicht erforderlich. Ein Anruf beim Pflegekrisendienst genügt, damit der Patient / die Patientin einen ersten Besuch erhält. Dabei wird abgeklärt, welche Hilfe genau benötigt wird und wie die Situation in der Familie ist. Der Pflegekrisendienst stellt die Versorgung in den ersten Tagen sicher und die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden, die sich an der Finanzierung des Pflegekrisendienstes beteiligen, erhalten ein sicheres Gefühl „für den Fall der Fälle“.

 

Das Angebot beschränkt sich nicht nur auf alte Menschen oder auf Patientinnen und Patienten, die direkt aus dem Krankenhaus entlassen werden, sondern umfasst auch erkrankte pflegende Angehörige, die wegen ihrer eigenen Erkrankung vorübergehend selbst keine Pflegeleistung erbringen können. In der Regel ist nach fünf Tagen kein weiterer Einsatz mehr erforderlich. In den wenigen Fällen eines darüber hinaus gehenden Pflegeeinsatzes, übernimmt ein örtlicher Pflegedienst oder eine Nachbarschaftshilfe diese Aufgaben bzw. es werden andere Anschlussmöglichkeiten, wie z.B. ein Kurzzeitpflegeplatz gesucht.

 

Im Landkreis Erding erfolgt die Einsatzplanung des Pflegekrisendienstes durch das BRK. Eingesetzt werden ausschließlich qualifizierte Pflegefachkräfte. Es gibt eine Vollzeitstelle, mehrere Minijob-Kräfte und einen Hintergrunddienst.

 

Nachdem das BRK im Landkreis Erding keinen weiteren ambulanten Pflegedienst unterhält, wird eine erforderliche Anschlussbehandlung regelmäßig durch einen anderen ambulanten Pflegedienst weitergeführt. Eine Konkurrenz zu bestehenden ansässigen Diensten ist damit ausgeschlossen.

 

Inzwischen beteiligen sich 19 von 26 kreisangehörigen Städten und Gemeinden im Landkreis Erding an der Finanzierung des Pflegekrisendienstes im Umfang von einem Euro pro Einwohner im Jahr. Überdies bezuschusst der Landkreis Erding das Vorhaben jährlich mit 40.000 Euro. Die Gemeinden entscheiden jedes Jahr aufs Neue, ob sie ihre Mitgliedschaft und damit ihre finanzielle Unterstützung erneuern, weshalb die langfristige finanzielle Tragfähigkeit des Pflegekrisendienstes derzeit nicht gesichert ist. Ungeklärt ist überdies, wer das Defizit im Falle einer Unterfinanzierung übernimmt.

 

Von der Idee bis zur Eröffnung des Pflegekrisendienstes im Februar 2021 bedurfte es im Landkreis Erding eines zweijährigen Vorlaufs, insbesondere, weil einige Gemeinden im Landkreis Erding zunächst keine Notwendigkeit für eine Beteiligung sahen. Nachdem aber ausschließlich Bewohner der Mitgliedsgemeinden eine pflegerische Unterstützung erhalten können, stieg die Zahl der Mitgliedsgemeinden im Laufe der Jahre sukzessive an. Dennoch kommen noch etwa 20 % der Anrufe beim Pflegekrisendienst aus Gemeinden, die noch nicht Mitglied des Pflegekrisendienstes sind. Deren Bürgerinnen und Bürger erhalten keine Pflegeleistung, sondern werden an den Pflegestützpunkt zur Beratung über gesetzliche Leistungen der Kranken- und Pflegekassen weitervermittelt.

 

Im Oktober 2022 wurde der Pflegekrisendienst Erding vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mit dem ersten Preis für „Innovative Pflege – Preis für zukunftsweisende Wohn- und Pflegeprojekte in Bayern“ ausgezeichnet.

 

Die Fachbereichsleitung Kreisentwicklung im Landratsamt Erding, Frau Katrin Neueder, gibt in der Sitzung Einblick in den Aufbau und die Tätigkeit des Pflegekrisendienstes des Landkreises Erding.

 

Anmerkungen der Verwaltung

 

Die Pflegebedarfsplanung im Rahmen des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts macht deutlich, dass die Nachfrage nach Pflege steigen wird. Die bestehenden ambulanten Pflegedienste können durch einen Pflegekrisendienst entlastet werden.

 

Die freien Kapazitäten der ambulanten Pflegedienste sind nicht planbar und großen Schwankungen unterlegen. Die ambulanten Pflegedienste müssen flexibel auf einen sich verändernden Gesundheitszustand ihrer Patienten reagieren, so dass es immer wieder zu Über- oder Unterauslastungen kommen kann. Darüber fällt es insbesondere in den Urlaubszeiten schwer, jederzeit kurzfristig freie Pflegekapazitäten anzubieten, weshalb ein Pflegekrisendienst dazu beitragen kann, die pflegerische Versorgung der Landkreisbevölkerung an dieser Stelle zu verbessern.

 

Im Landkreis Erding schließt der Pflegekrisendienst eine Versorgungslücke im Bereich der ambulanten Pflege. Ob auch im Landkreis Ebersberg eine derartige Versorgungslücke besteht, lässt sich derzeit objektiv noch nicht einschätzen. Hierzu bedarf es zunächst einer Erhebung. Der Pflegestützpunkt Ebersberg erfasst deshalb seit Anfang des Jahres den „nicht gedeckten Bedarf“, indem er im Rahmen seiner Beratungsgespräche die Anzahl der Anfragen bei Einrichtungen und Pflegediensten sowie die Dauer der Suche statistisch ermittelt.

 

Im Erdinger Modell des Pflegekrisendienstes finanzieren der Landkreis und Mitgliedsgemeinden eine Leistung, für die im Einzelfall folgende Ansprüche über die Kranken- oder Pflegekassen bestehen:

 

1.    Das Krankenhaus-Entlassungsmanagement soll Versorgungslücken beim Übergang der Patienten vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung zu Hause, zur Rehabilitation oder zur Kurzzeitpflege schließen (§ 39 Abs. 1a SGB V). Entsprechend dem Rahmenvertrag Entlassmanagement sollen die Krankenhäuser für einen nahtlosen Übergang der Patienten den individuellen Bedarf für die Anschlussversorgung erfassen und einen Entlassplan aufstellen. Sobald der Bedarf für eine Unterstützung durch die Kranken- bzw. Pflegekasse festgestellt wird, nimmt das Krankenhaus rechtzeitig Kontakt auf, insbesondere bei Versorgungsbedarfen in den Bereichen Pflege, Häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, Rehabilitation, Hilfsmittelversorgung, häusliche Versorgung sowie bei genehmigungspflichtigen Leistungen und im Rahmen der Übergangsversorgung (Kurzzeitpflege). Das Krankenhaus hat gemeinsam mit der Kranken- und Pflegekasse rechtzeitig vor der Entlassung die erforderliche Versorgung zu organisieren, etwa die notwendigen Leistungserbringer zu kontaktieren (z. B. Vertragsärzte, Reha-Einrichtungen, ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen) und für deren zeitgerechten Einsatz zu sorgen.

 

2.    Krankenhausvermeidungspflege (nach § 37 SGB V): Um einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden oder zu verkürzen, kann die Krankenversicherung die erforderliche Grundpflege und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung für die Dauer von maximal vier Wochen finanzieren.

 

3.    Unterstützungspflege (nach § 37 SGB V): Die Unterstützungspflege umfasst die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in der Regel bis zu vier Wochen, sofern keine andere Person im Haushalt die Versorgung übernehmen kann. Sie kommt für Versicherte in Frage, die nicht pflegebedürftig sind oder maximal Pflegegrad 1 haben.

 

4.    Darüber hinaus bestehen nach einer Krankenhausentlassung auch die Möglichkeiten der Pflege in einer stationären Einrichtung:

 

·         Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI): für Patienten mit Pflegegrade 2 bis 5

·         Übergangspflege (§ 39e SGB V): Krankenhausnachsorge für eine Übergangszeit von bis zu 10 Tagen für Patienten ohne Pflegebedürftigkeit.

 

Während diese gesetzlichen Unterstützungsmöglichkeiten teilweise mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden sind, von den Krankenkassen nicht selten abgelehnt werden und daher von den ambulanten Pflegediensten wegen der Unsicherheit der Finanzierung ungern angeboten werden, gestaltet sich die Inanspruchnahme des landkreisfinanzierten Pflegekrisendienstes für die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedsgemeinden kostenlos und unbürokratisch. Überdies besteht keine Zuzahlungspflicht, wie bei vergleichbaren Leistungen, die durch die Kranken- und Pflegekassen finanziert werden.

Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

                                                                       ja, positiv

                                                                       ja, negativ

                                                                       nein

Dem SFB-Ausschuss wird folgender Beschluss vorgeschlagen:

 

1.    Die Verwaltung erhebt bis Herbst 2023 den Bedarf für einen Pflegekrisendienst nach dem Erdinger Modell.

 

2.    Am nächsten „Runden Tisch Pflege“ wird der Prüfantrag der CSU-FDP-Kreistagsfraktion vorgestellt und das Modell eines Pflegekrisendienstes nach dem Erdinger Modell mit den Experten diskutiert.

 

3.    Die Verwaltung wird beauftragt, bestehende Fördermöglichkeiten zu eruieren.

 

4.    Nach Klärung des Bedarfs und bestehender Fördermöglichkeiten soll die Verwaltung bis zur Oktober-Sitzung des SFB-Ausschusses Kontakt zu den Gemeinden aufnehmen und deren Bereitschaft zur Teilnahme und Finanzierung abfragen.

Auswirkung auf den Haushalt:

Die Höhe der Mehrausgaben lassen sich erst abschätzen, wenn bekannt ist, wieviel Gemeinden sich an dem Modellprojekt beteiligen wollen und welche staatlichen Fördermöglichkeiten in Anspruch genommen werden können.